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Aber die Uebung allein ist nicht hinreichend, einen tüchtigen Corrector zu bilden, wenn er nicht auch die Kenntnisse besitzt, welche zu diesem Geschäfte erforderlich sind. Niemand sollte sich demselben widmen, der nicht vor allem zunächst seine Muttersprache vollkommen versteht. Man muss die Eigenthümlichkeiten derselben, ihren Geist, ihre Mundarten und die treffende Anwendung jener Mannichfaltigkeit des Ausdrucks inne haben, in welchem wir unsere Gedanken verkörpern und den menschlichen Geist abspiegeln. Oft kommen, besonders in grösseren Officinen, Fälle vor, wo umfassende Kenntnisse dieser Art unerlässlich sind. Manche Schriftsteller, selbst vom ersten Range, sind im Eifer der Untersuchung, dem Fluge der Speculation und der Anstrengung der Denkkräfte sehr geneigt, unbemerkt in jene Abweichungen vom reinen Ausdrucke und der grammatischen Genauigkeit zu verfallen, deren sie gewohnt sind sich im gewöhnlichen Leben zu bedienen. Obschon nun keinem Corrector billigerweise mehr zugemuthet werden kann, als sich an das Manuscript zu halten und demselben mit allen seinen Mängeln treu zu folgen, so ist doch einleuchtend, dass es oft ein willkommener, ja dankenswerther Dienst ist, Unvollkommenheiten und Irrthümer zu verbessern, welche der Aufmerksamkeit eines schnell und viel schreibenden Autors entgangen sind. Indessen gilt diese Bemerkung nur für Ungenauigkeiten in der Orthographie und auffallende Mängel der Wortstellung; an dem Sinne aber, den Meinungen und Eigenthümlichkeiten eines Autors zu ändern, kommt keinem Corrector zu. Bei neuen Drucken alter bekannter Werke können weder Correctoren noch Herausgeber wesentliche Aenderungen vornehmen.

Wir fügen diesem Theile unserer Betrachtung noch die Bemerkung bei, dass ein Corrector gleich frei von Eigensinn wie von Pedanterie sein soll; der Erstere wird seine Stellung und Beschäftigung äusserst unangenehm machen, die Zweite ihn auf Abwege leiten, die der Ständigkeit des Charakters, welche er streng aufrecht zu halten hat, nachtheilig sind. Wir meinen die starre Einförmigkeit im Gebrauche der Capitalbuchstaben,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacob Weber (Hrsg.): Bibliopolisches Jahrbuch für 1841. J. J. Weber, Leipzig 1841, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bibliopolisches_Jahrbuch_1841.pdf/95&oldid=- (Version vom 31.7.2018)