Seite:Bilder und Sagen aus der Schweiz I.pdf/35

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1

Nacht ihn nicht verlassen darf, wenn er Brod will und Speise für den Winter.

Wie sie da so rathlos weinten, Keiner den Andern ansehen, in den Jammer des Andern sehen durfte, weil der Seinige schon über ihm zusammenschlug, und keiner heim durfte mit der Botschaft, keiner den Jammer heim tragen mochte zu Weib und Kind, stund plötzlich vor ihnen, sie wußten nicht woher, lang und dürr ein grüner Jägersmann. Auf dem kecken Baret schwankte eine rothe Feder, im schwarzen Gesichte flammte ein rothes Bärtchen, und zwischen der gebogenen Nase und dem zugespitzten Kinn, fast unsichtbar, wie eine Höhle unter überhangendem Gestein, öffnete sich ein Mund und frug : „Was gibt es, ihr guten Leute, daß ihr da sitzet und heulet, daß es Steine aus dem Boden sprengt und Aeste ab den Bäumen?“ Zweimal frug er also, und zweimal erhielt er keine Antwort.

Da ward noch schwärzer des Grünen schwarz Gesicht, noch röther das rothe Bärtchen, es schien darin zu knistern und zu sprezeln, wie Feuer im Tannenholz; wie ein Pfeil spitzte sich der Mund, dann that er sich auseinander und frug ganz holdselig und mild: „Aber ihr guten Leute, was hilft es euch, daß ihr da sitzet und heulet? Ihr könnet da heulen bis es eine neue Sündfluth gibt, oder euer Geschrei die Sterne aus dem Himmel sprengt; aber damit wird euch wahrscheinlich wenig geholfen sein. Wenn euch aber Leute fragen, was ihr hättet, Leute, die es gut mit euch meinen, euch vielleicht helfen könnten, so solltet ihr statt zu heulen, antworten und ein vernünftig Wort reden, das hülfe euch viel mehr.“ Da schüttelte ein alter Mann das weiße Haupt und sprach: „Haltet es nicht für ungut, aber das, worüber wir weinen, nimmt kein Jägersmann

Empfohlene Zitierweise:
Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1. Jent & Gaßmann, Solothurn 1842, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder_und_Sagen_aus_der_Schweiz_I.pdf/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)