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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1

verschlossen und schweres Geräthe vor die Thüre gestellt. So lange sie allein im Hause waren, war es noch dabei zu sein, aber als sie Christine heimkommen sahen, als sie schleichende Tritte an der Thüre hörten, als sie draußen noch manch andern Tritt hörten und heimliches Flüstern, kein Priester sich zeigte, kein anderer treuer Mensch, und näher und näher der sonst so ersehnte Augenblick trat, da kann man sich denken, in welcher Angst die armen Weiber schwammen, wie in siedendem Oele, ohne Hülfe und ohne Hoffnung. Sie hörten, wie Christine nicht von der Thüre wich; es fühlte das arme Weib ihrer wilden Schwägerin feurige Augen durch die Thüre hindurch, und sie brannten sie durch Leib und Seele. Da wimmerte das erste Lebenszeichen eines Kindes durch die Thüre, unterdrückt so schnell als möglich, aber zu spät. Die Thüre flog auf von wüthendem vorbereiteten Stoße, und wie auf seinen Raub der Tiger stürzt, stürzt Christine auf die arme Wöchnerin. Die alte Frau, die dem Sturm sich entgegenwirft, fällt nieder; in heiliger Mutterangst rafft die Wöchnerin sich auf, aber der schwache Leib bricht zusammen, in Christinens Händen ist das Kind; ein gräßlicher Schrei bricht aus dem Herzen der Mutter, dann hüllt sie in schwarzen Schatten die Ohnmacht.

Zagen und Grauen ergriff die Männer, als Christine mit dem geraubten Kinde heraus kam. Das Ahnen einer grausen Zukunft ging ihnen auf, aber keiner hatte Muth, die That zu hemmen, und die Furcht vor des Teufels Plagen war stärker, als die Furcht vor Gott. Nur Christine zagte nicht; glühend leuchtete ihr Gesicht, wie es dem Sieger leuchtet nach überstandenem Kampfe; es war ihr, als ob die Spinne in sanftem Jucken ihr liebkose; die Blitze, die auf ihrem Wege zum

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Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne. In: Bilder und Sagen aus der Schweiz, Band 1. Jent & Gaßmann, Solothurn 1842, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder_und_Sagen_aus_der_Schweiz_I.pdf/71&oldid=- (Version vom 31.7.2018)