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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

unsere Abbildungen wenigstens kein falsches Bild des Originales geben, wenn auch keineswegs ein vollkommenes; für das Verständniss der nachfolgenden Betrachtung reichen sie unter allen Umständen völlig aus.

Das Original (im brittischen Museum mit T 79 bezeichnet) ist aus einem einzigen Stück röthlichen griechischen Marmors gemeisselt und fast vollkommen erhalten. Zumal der gebrechlichste Theil der Köpfe, die Nase, ist unversehrt; ebenso die Augenlider, Ohren und Lippen, sowie auch die am meisten herausgearbeiteten Theile der Haare fast durchaus. Abgebrochen und verloren ist nur die unterste Haarlocke hinten auf dem Nacken, wie die Profilansicht (auf Tafel 2) zeigt; abgebrochen aber erhalten eine Anzahl der im Ganzen 28 Blattspitzen des Kelches, welcher die Büste umschliesst. Büste und Blätterkelch sind unzweifelhaft aus ein und demselben Stück[1]. Die auf der hallischen Philologenversamlung in vermittelnder Absicht ausgesprochene Meinung des verstorbenen Bildhauers Hrn. Ed. von der Launitz, die Büste sei nicht modern, aber überarbeitet, entbehrt jeglicher Begründung. Der Augenschein zeigt, dass die Epidermis des Marmors, wie man zu sagen pflegt, völlig intact erhalten ist[2].

Der Blätterkelch ist unzweifelhaft das auffälligste uod anstößigste an dem Werk: wäre er nicht vorhanden, wie er bei manchen Gipsabgüssen[3] weggelassen worden ist, so würde die Deutung auf Clytia und vielleicht auch die Zweifel an der Aechtheit nie vorgebracht worden sein. Es wird sich daher empfehlen in gesonderter Behandlung zuerst den Kopf, dann den Blätterkelch zu betrachten, und zuletzt den Zweck der Verbindung beider zu einer besonderen Form der Büste ins Auge zu fassen. Gelingt es nach diesen drei Seiten hin das Werk befriedigend, d. h. in Uebereinstimmung mit den Bildungsgesetzen der alten Kunst, zu erklären,


  1. Uebereinstimmende Angaben über das Original machte nach einer brieflichen Mittheilung Newton’s Hr. Eichler der archäologischen Gesellschaft in Berlin und nachher den Philologen in Halle; siehe die Verhandlungen am eben angeführten Ort.
  2. Die Maße sind nach den am Original durch meinen Freund Hrn. Alexander S. Murray vorgenommenen Messungen die folgenden:
    Entfernung[WS 1] vom Scheitel his zum Kinn 26,5 Cm.
         „          vom Ansatz der Haare auf der Stirn bis zum Kinn 15,87 Cm.
         „          zwischen den Ohren 14,56 Cm.
         „          zwischen den inneren Augenwinkeln 33 Mm.
         „          zwischen den äusseren Augenwinkeln 99 Mm.
         „          Entfernung[WS 2] zwischen dem Ansatz der Haare auf der Stirn
                    und dem oberen Ansatz der Nase (Stirnhöhe)
    44 Mm.
         „          zwischen dem unteren Ansatz der Nase und der Spitze des Kinnes 67 Mm.
         „          Nasenlänge 53 Mm.
         „          zwischen der Nasenspitze und dem Ansatz der Ohren 13,4 Cm.


  3. Z. B. dem des Dresdener Museums; siehe Hettner’s Museum der Gipsabgüsse (1861) S. 115 N. 64, bezeichnet ‚angeblich Livia, Büste in Hannover‘.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Entferung
  2. Vorlage: Entferuung
Empfohlene Zitierweise:
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_06.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2019)