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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

ist und Nr. 354, ein Aquamarin, damals in der Sammlung Vidoni) ragen durch ihre Ausführung hervor und können mit einiger Wahrscheinlichkeit für Bildnisse der Antonia gelten. Den ersten derselben (Nr. 349), ein Werk von guter und breiter Arbeit, giebt Fig. 1 unserer Vignette wieder. Der freundlichen Mittheilung des Hrn. R. Stuart Poole verdanke ich den Siegelabdruck eines vor einigen Jahren ins brittische Museum (aus der Sammlung Castellani, wenn ich nicht irre) gelangten Cameo, welchen derselbe Gelehrte ebenfalls für ein Bildniss der Antonia hält. Ich stelle ihn (in der Vignette Fig. 3) absichtlich dem von Cades zur Vergleichung gegenüber; dass diese beiden Bildnisse ein und dieselbe Person darstellen sollten, ist völlig unglaublich. Bei der großen Unsicherheit solcher Bestimmungen aber, über welche jüngst der beste jetzt lebende Kenner von geschnittenen Steinen in England, Hr. K. W. King, der Verfasser von einer Anzahl bekannter Werke über geschnittene Steine, einige treffende Bemerkungen gemacht hat[1], wird man daher auch in diesem, wie in so vielen ähnlichen Fällen von einer Benennung der Personen abzusehen haben. Es trifft sich sonderbar, dass derselbe Gelehrte ganz neuerdings eine bei Stanwix in Cumberland, einer der Stationen des römischen Walls in Nordengland, wahrscheinlich Congavata[2], gefundene unzweifelhaft antike blaue Glaspaste (von 1½ Zoll englisch Durchmesser) mit einem antiken Kopf von vorn für ein unzweifelhaftes Bildniss eben der Antonia erklärt und mit der Clytiabüste, die er ebenfalls für ein Bildniss derselben Frau hält, verglichen hat[3]. In unserer Vignette Fig. 5 ist er um die Hälfte verkleinert wiederholt. Die Form und Behandlung des Haares, die anmuthige Neigung des Kopfes und der Ausdruck zeigen allerdings eine gewisse Aehnlichkeit mit der Clytia, und einem Kenner wie Hrn. King wird man unbedingt glauben, dass ein vorzügliches Werk der Steinschneidekunst aus augustischer Zeit jenem Glasfluss zu Grunde liegt. Aber die Identität der Personen scheint mir weit entfernt davon erwiesen zu sein.

Es giebt auch Marmorwerke, Statuen und Büsten, welche für Bildnisse der Antonia gelten. Soweit nach den Abbildungen oder Beschreibungen ein Urtheil möglich ist, stimmen jedoch die vaticanische Statue aus Tusculum im Braccio nuovo[4] die neapolitanische Statue[5] und die capitolinische Büste[6] mit den Münzbildern


  1. Im Archaeological Journal 27, 1870 S. 16 ff.; in erweiterte Gestalt wiederholt in des Verfassers letztem Werk Antique gems and rings, London 1872 2 Bde. 8., S. 199 ff.
  2. Vgl. C. I. L. VII S. 159.
  3. Im Archaelogical Journal 29, 1872 S. 26 ff. In Dr. Bruce’s schönem Werk the Roman Wall (3. Ausgabe, London 1867) S. 428 wird der Kopf auf derselben Paste für Antinous gehalten.
  4. Museo Chiaramonti 2 S. 65 Taf. 29.
  5. Gerhard und Panofka Neapels antike Bildwerke S. 44 Nr. 132 'in der Bekleidung der Polyhymnia'.
  6. Bei Righetti 1 S. 89 Taf. 86.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_10.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)