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allen Alten uns erwärmten, während die anderen uns innerlich fern blieben trotz mancher gelegentlich darin erworbener Kenntnisse. Von den Stunden, welche dem altsprachlichen Unterrichte bestimmt waren, verwendete er wöchentlich eine auf Realien, nämlich – je in einem Halbjahre – antike Geographie, griechische Mythologie, römische Altertümer und Metrik. Er trug einfach und fesselnd vor, ließ nachschreiben und verlangte genaue Repetition. Wir lernten dabei viel und mit Interesse. Neben dem altsprachlichen und dem französischen Unterrichte gab er in der Sekunda Deutsch, Aufsatz und Litteraturgeschichte, beides nach meinem Gefühl musterhaft. Man wendet ja jetzt viel gegen den Unterricht in der deutschen Litteraturgeschichte ein (auf den hannöverschen Gymnasien war er allgemein) und empfiehlt dafür sogenanntes Lesen und Erklären von Klassikern. Ich teile die Bedenken nicht. Man muß nur Lehrer haben, die gebildet genug sind, um jenen Unterricht geben zu können. Zur Erklärung eines Klassikers gehört viel weniger, es kommt aber auch nicht viel mehr als Langeweile dabei heraus, wie man von aufgeweckten ehemaligen Schülern erfahren kann. Wir verdankten dem Unterrichte in der deutschen Litteraturgeschichte sehr viel, aber fast noch mehr den Aufsatzstunden. Hier machte jeder, der auf sich einwirken lassen wollte, einen ersten Kursus seiner Erziehung zum gebildeten Menschen durch, und wie das gemacht wurde, hätte damals, wo es noch keine pädagogischen Seminare, aber auch noch nicht die Phrase gab, daß der deutsche Unterricht Träger der allgemeinen und nationalen Bildung sein müsse, – das hätte damals, sage ich, jemand in dem Unterrichte dieses unscheinbaren, kleinen Mannes verwirklicht sehen können. Die „Methode“ – man hörte damals das Wort noch nicht – die sich ein begabter und feingebildeter Einzelmensch, wahrscheinlich ohne viel Grübeln in gelehrten Büchern, selbst konstruiert hatte, war äußerst einfach. Es wurde viel geschrieben, alle vier Wochen ein „großer“ Aufsatz, d. h. eine Abhandlung, ein „kleiner“, eine Erzählung, und eine ausgeführte Disposition zu dem ersten, – alles auf einmal aufgegeben und ebenso abzuliefern. Ausführliche Korrektur fand nicht statt, dazu hätte des Mannes Zeit nicht gereicht, – nur Striche, Kreuze und am Schluß die Nummern! Die Hauptsache war das Zurückgeben; dies war geradezu einzig. Gelernt wurde durch Exempel, gutes und schlechtes, und ganz kurze Kritik, und auch nur so wurde bestraft und belohnt. Der Anfänger sah diesem Gericht seiner lachenden Kameraden mit Besorgnis entgegen. Wer sich besondere Mühe gab, erhielt wohl mal die Erlaubnis, dem Lehrer einen Aufsatz vorher im Konzept vorzulesen. Die meisten brachten es auf diese Weise mit den fortschreitenden Semestern zu entsprechend guten Leistungen, die begabteren kamen sich im letzten Halbjahre

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_163.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)