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mit ihrer steten No. 1 wie kleine Schriftsteller vor. Als ältere Primaner sahen wir auf den blumigen Stil unserer Sekundanerepoche mit kritischem Lächeln zurück. Aber umsonst entwickelt sich ja nicht der Knabe, und umsonst war unser alter, sarkastischer, verstandesscharfer Direktor nicht da, der dann in seinem Aufsatzunterricht den Ausdruck nachsichtslos in die ihm geeignet scheinenden, ruhigen Formen leitete. – Gevers gab noch griechische Grammatik durch das ganze Gymnasium, recht gut. Er war trotz seiner äußerlich nicht imponierenden Erscheinung ein Lehrer, der musterhaft Disziplin zu halten verstand, von zu großer Strenge vielleicht sogar in den unteren Klassen, allmählich nachlassend und schließlich wie ein hochgebildeter Freund zu den Schülern stehend. Das war überhaupt der maßgebende Eindruck, den er machte, auch in der Stadt unter einer recht anspruchsvollen, vornehmen, aus Beamten und Offizieren zusammengesetzten Gesellschaft. Er hatte eine feine Frau geheiratet, las sehr schön vor und durfte wohl für eine Art Autorität gelten in Sachen des guten litterarischen Geschmackes, der doch hie und da die Geselligkeit des Ortes berührte. Und das bringt mich auf eine andere Bemerkung.

Die übrigen Lehrer waren nicht hervorragend, zum Teil nicht einmal gut. Heute hat vielleicht jedes Gymnasium ein paar bessere Philologen, die irgendwelche Abhandlungen geschrieben haben. Höchstens unser Direktor durfte für einen selbständigen Gelehrten gelten. Aber diese Männer waren doch alle in ihrer Art selbständig gebildet, und das zeigte sich in äußerlichen Dingen, in dem großen Entgegenkommen, das sie in der Gesellschaft fanden, auch wenn einzelnen die Verhältnisse nicht gestatteten, teilzunehmen. Freilich hatten sie, wie ich mit Bestimmtheit sagen kann, auch nicht von Stipendien studiert und nicht die Töchter ihrer akademischen Quartierwirtinnen geehelicht, sondern sie besaßen feine Frauen aus guten, gebildeten Familien. Der Gymnasiallehrer stand also gesellschaftlich in den fünfziger Jahren in Hannover entschieden höher als später und anderwärts, z. B. in Preußen. Ich empfehle diese Aphorismen einstweilen dem Nachdenken aller, die es angeht. Für jetzt darf ich den mir zugestandenen Raum nicht weiter in Anspruch nehmen.

Was meine persönliche Entwickelung betrifft, so stehen die Verdener Schuljahre (1856–61) in meiner Erinnerung als recht erfreuliche, die zwei Primanerjahre vielleicht als die schönsten meines Lebens. Die freundliche Stadt bot angenehmen Aufenthalt, und das Leben brachte vielerlei Zerstreuungen mit sich, darunter auch unerlaubte, ferner Umgang und Freundschaften, von denen zwei – Fritz Hashagen in Rostock und Hans von Hammerstein in Metz – für das Leben dauerten. Mit dem einen bezog ich die Universität. Dem anderen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_164.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)