Seite:Bismarck und das deutsche Gemüt 08.png

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das den Fürsten bis ins Alter begleitete, das Verlangen nach beschaulicher Stille und enger Beschränkung, die in die Tiefe den Eindrücken nachgeht, nicht in die Weite sie vergeudet und in der Nähe vergißt. Wo Liebe zur heimatlichen Scholle, die ein karges Leben freundlich getragen hat, zu Berg und Tal, den Stätten der kindlichen Spiele und erwartungsvollen Freuden, Wurzel schlägt, da kehrt die ernste, hingebende, ins Einzelne sich versenkende Liebe zur Natur ein, zu dem großen Gottesparadiese, in dem trotz aller Schäden und Schatten noch Kindheitsfreude und Jugendglück, aus ewig treuen Händen gespendet, lebt und blüht, zu dem familienhaften Gottesleben, das eine weislich ordnende Treue Jahr um Jahr verneut, damit an ihr der müde Mensch im Genuß des Gegenwärtigen und in hoffender Vorahnung des Zukünftigen genese. Wie im Plamann’schen Institute, in das der Knabe, dem ein Hauslehrer nicht gehalten werden konnte, allzufrüh verbracht ward, mitten im Häusermeer des „großen“ Berlin seine Sehnsucht nach Wald und Seen der Heimat ging, so hat später aus dem Zwang und Drang der lästigen Geschäfte der Mann sich in die Natur geflüchtet, die zu schildern, zu loben und zu rühmen er nicht müde ward. Nicht nur die Herrlichkeit der Pyrenäen und des Meeres bei Biarritz, die wunderbaren Farbentöne der ungarischen Ebene, zu der die blauen Berge hinabgrüßen, die unvergeßliche Eigenart des russischen Winters und die sieghafte Pracht des Frühlings in der Steppe weiß Bismarck in immer neuen Worten zu beschreiben und auszumalen, sondern auch die Anspruchslosigkeit des Heimatwaldes mit seinen alten Eichen, mit der Sabbathstille und dem tiefen Frieden lobt er gerne, wie einer, der alter Freunde treulich gedenkt. Wenn einmal deutsche Lesebücher wieder geschaffen werden nach Wackernagels und Masius’ Art, werden Bismarcks Naturschilderungen in sie aufgenommen werden, nicht schillernde Prachtstücke in Stifters Weise, sondern wirkungsvoll

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Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 08. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_08.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)