Seite:Bismarck und das deutsche Gemüt 23.png

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war ihm Lebensbedürfnis und Element – Lage und Persönlichkeiten schildert.

 Thiers, der ausfällig werden will, erzieht er, indem er ihn deutsch zu reden nötigt, dem Hohne eines Diplomaten über ein Verblichenes Ordensband im Knopfloch erwidert er, das habe er erhalten, weil er die Gewohnheit habe, manchmal einen Menschen zu retten. Und an dem Beispiel des Generals Peuker erläutert er, wie schwer es sei, eine Kaskade von Orden auf der Brust unterzubringen. Damit die fünf Milliarden Kriegskosten, zu deren Zählung einer von Christi Geburt an brauche, wirklich gezählt werden können, nimmt er Bleichröder mit, der von Erschaffung der Welt her zähle! Mit feiner Ironie und verletzendem Spotte, mit aufwallender Heftigkeit weiß er seine Feinde, Virchow und Lasker, Bamberger und Richter zu behandeln, die „Perle von Meppen“ schätzt er nicht immer wegen ihrer Farbe. Eine durch und durch verbibelte Sprache, mit Luthers Deutsch durchsättigt und erfüllt, eignet dem Manne, der deutsch dachte, redete und schrieb, wie seit Goethe kein anderer.

 Es ist bei einer Gedächtnisrede, die dem Danke Ausdruckt geben soll, nicht Brauch, auf die Fehler dessen einzugehen, dem sie gilt. Denn daß dem reichen, überallhin flutenden Lichte mächtige Schatten nicht fehlen, ist der Sterblichen Los und Schuld. So wäre es ein Leichtes, Fehler und Gebrechen aufzudecken und das große Bild vor den Mängeln und Makeln, die ihm anhaften, zurücktreten zu lassen. Aber ob es leicht wäre –, treu wäre es nicht.

 Fürst Bismarck steht nicht allein vor dem immerhin noch nicht abgeschlossenen und geklärten Urteil der Geschichte, die ihn nicht wegen seiner Fehler, sondern trotz ihrer den Ehrenplatz unter den Großen und Größten anweisen wird, sondern vor dem Herrn, dem er dienen wollte, dessen Auge da Licht sieht, wo wir Kurzsichtige Schatten und Trübung

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_23.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)