Seite:Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd.djvu/1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Johann Georg Knie: Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd. In: Pädagogische Reise durch Deutschland im Sommer 1835, S. 162–172

Dreiundzwanzigstes Capitel.
Passirung der rauhen Alp. – Bis Göppingen und Gmünd.

Es war 9 Uhr, als ich Ulm verließ; ich fuhr allein mit dem Conducteur Schillhorn, einem seit dem Dienstage zuvor erst neugebacknen Ehemanne, den sein Beruf zum erstenmale aus den Armen seiner jungen Frau entführte. Bald hatten wir die steile Höhe des Frauensteges am linken Ufer der Donau hinter uns, und fuhren immer weiter aufwärts, um die Höhe der rauhen Alp zu gewinnen. Schillhorn ging hinter dem Postwagen her, als plötzlich von einem Seitenwege herab ein schweres Fuhrwerk an uns vorüber gerasselt kam, einige Minuten später rief Schillhorn: „du lieber Gott, wie wird es dem gehen,“ und jetzt erst erfuhr ich, daß dem Führer jenes Frachtwagens der Hemm- oder Radschuh ausgesprungen war. Unser guter Genius hatte ihn glücklich am Postwagen vorüber gelenkt, der seine aber bereitete ihm das noch größere Glück, auf einer tiefer liegenden flachern Stelle sein Fuhrwerk zum Stehen zu bringen, ehe er wieder in die noch steilere Tiefe kam. So gelangten wir wahrhaft mit Gottes Beistand in der eilften Stunde nach Lutzhausen. Hier nahmen wir, um den Muth zu erfrischen und tapfer der schon streng werdenden Nachtkühle auf den Bergen Trotzbieten zu können, ein Schöpple Wein, ich aber hörte zum erstenmale von sechs Männern an einem Tische neben mir ächt schwäbisch plaudern; doch ich muß aufrichtig gestehen, daß die ungeheure Breite der Mundart und die große Menge der Provincialismen meine Ohren so fremdartig berührten, daß ich kaum die Hälfte dessen, was ich hörte, mir zu entziffern vermochte, und ich hätte, ohne Hebels allemannische Gedichte früher gehört zu haben, vielleicht noch weniger verstanden. Ohne weitern Unfall gelangten wir von hier über Geißlingen nach Göppingen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Knie: Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd. In: Pädagogische Reise durch Deutschland im Sommer 1835, S. 162–172. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1837, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Blinden-_und_Taubstummenanstalt_Gm%C3%BCnd.djvu/1&oldid=- (Version vom 31.7.2018)