Seite:Bohemiae Moraviae et Silesiae (Merian) 008.jpg

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vom Hussiten Krieg / am 172. Blat / die Böhmen von Natur rachgierig; und haben auch andere Mängel / wie davon bey andern zu lesen; wiewol deren kein Volck befreyet ist / sondern ein jedes seine Gebrechen / auch Schelter und Lober hat. Ihre Bauren zwar halten sie / als leibeigene Leute / gar streng und hart. Sonsten seyn die Böhmen gute Krieger / starck und groß von Leib / und können was außstehen; wie solches auch deß Königreichs Wappen anzeiget / in welchem der Löw ein doppelten Schweiff hat / damit Käiser Friederich der Erste / so solches Wappen ertheilet / anzeigen wollen / daß deß Böhmischen Königs Uladislai Tapfferkeit / der andern Fürsten / so ihme in dem Italiänischen Krieg beygewohnet / übertroffen habe. Sie förchten sich auch nicht groß für dem Tode; daher auch unter die Ursachen / daß die Pest so offt in Böheim regieret / von obgedachtem Theobaldo dieses gesetzt wird / indem Er im ersten Theil / am 6. Capitel / und 49. Blat schreibet: Daß erstlich sich das Volck unordentlich im Essen und Trincken / mit Brandtwein / Bäwschnitzen / gebranten Erbsen / weissem Bier / und anderer unverdäulicher Speiß und Tranck verhalte; Palenij / Palenzky / Pudschalku / Dopinku / Wily / Bivo / seyen solcher nassen Brüder von Sauffenberg / fünff Erbheyling: Zum andern / so lauffen die Leute ohn alle Scheu / wie das Vieh durcheinander / und werde immerzu einer von dem andern inficirt und angesteckt. Es mache aber / daß sie sich nicht scheuen / ihr falscher Wahn / indem sie / wie die Juden / vermeynen / so einer nicht darzu gezehlet / und auffgeschrieben seye / so schade es ihm nichts; daher sie / an etlichen Orten / die Todten küssen / schmatzen und gesegnen / ob welchem mancher Mensch / so darzu geneigt / ein solches Vögelein / oder / wie sie reden / Heintzlin singen höret / daß er den Vorreyen am Todten-Tantz springen muß: Zum dritten ist auch bewust / wie fast in allen König-Städten / auch zu Prag / enge / stinckende Gassen gefunden werden / so zu Inficirung der Lufft / und Vermehrung deß Sterbens / sehr helffen. Weil aber unser Vornehmen nicht ist / von dergleichen weitläufftiger / und ein mehrers / allhie zu schreiben: So wollen wir allein vernehmen / was vor Völcker dieses Land vorzeiten bewohnet haben / und von wannen die jetzige desselben Inwohner kommen seyen. Was das Erste anbelangt / so wil obenangezogener Goldastus, daß die Hermiones anfangs solches Land bewohnet / auß welchem die uralte Schwaben / Hermunduri genant / die allerältesten Inwohner deß Theils gewesen / wo die Elb entspringet / und welche hernach von dannen vertrieben worden. Und seyn in diese Lands-Art hernach die Boji, unter ihrem Heerführer / dem Sigweiß / oder Sigoveso, deß Ambigati, der Celten Königs / Schwester Sohn / auß Gallia Celtica (Micraelius lib. 1. Pomer. p. 52. vermeynet auß der Marck / und dem alten Pommer-Land / und daß es die Semnoner / so er mit den Senonern für ein Volck hält / gewesen) umbs Jahr vor Christi Geburt 587. ohngefehr / oder / wie theils wollen / 600. gelangt / und haben solchem einen neuen Namen gegeben / daß es nach ihnen dero Bojen Heimat / Bojohemum, und endlich Böheim genant worden ist. Bey Regirung Käisers Augusti, war dieser Bojen König der Critasirus, den der Dacier König Boërobista, welcher / nach dem Ariovisto, oder Arionisto, die Teutsche Freyheit / wider die Römer zu verfechten / auff sich genommen / umbs Jahr vor Christi Geburt 10. unter seiner Gewalt hatte. Endlich muste er Boerobista nach Mähren / und ferner in Siebenbürgen / Moldau und die Walachey / entweichen / und wurden die Boji selbsten / mit ihrem gedachten König Critasiro, auß Böheim verjagt; da sie dann / ausser desselben / sich gesetzt / und ein neues Königreich angefangen / so folgends / samt dem Lande / nach ihnen / Bojoaria, und Bavaria, genant worden / wie mit mehrerm in der Topographia Bavariae gemeldet worden ist. Es seyn aber die besagten Boji, von den Schwäbischen Marcomannern / auß dem Böhmerland / gantz und gar getrieben worden; obwoln etliche vermeynen / daß theils derselben unter den Marcomannern; gleichwie die obgedachten Hermunduri unter den Bojis geblieben seyen. Was aber die gemeldte Marcomanni, so vorhin in dem Würtenberger-Land / Schwaben / Brißgöw / und der Pfaltz / gewohnet / für einen Weg / zu den obgemeldten des Käisers Augusti Zeiten / hieher genommen; daran ist so viel nicht gelegen.

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1650, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bohemiae_Moraviae_et_Silesiae_(Merian)_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)