Seite:Bohemiae Moraviae et Silesiae (Merian) 202.jpg

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Lignitzische Vestung: der Spitzberg: und der Görgenberg / allda die Terra Sigillata, oder die gelbe / rothe / und weise / bezeichnete Erde / wider das Gifft / gegraben wird / so Johannes Montanus, Medicus zu Strigau / der Anno 1604. gestorben / erfunden hat. Unter den Flüssen ist die Oder der gröste / so über dem Städtlein Oder / nicht weit von Titschein / an der Mährischen Gräntze / seinen Ursprung hat / und für Ratibor / Cossel / Oppeln / Brig / Breßlau / Glogau / Beuthen / Crossen / Franckfurt / etc. lauffen thut. Darnach ist der Bober / und die Neisse / so bey Glatz entspringet / und ein anders Wasser als die Laußnitzische Neisse / ist: Item / die Ohla und Queiß. Die Weichsel entspringet auch in Schlesien / nemlich im Fürstenthum Teschen / und fleußt auff die Standes Herrschafft Pleß / hernach durch Polen auff Cracau / etc. Von der Elb Ursprung in Schlesien / ist oben bey Böheim gesagt worden. Es hat auch in Schlesien See / und Teich / und darinn herrliche Fisch / und sonderlich werden im Nießlischen See / die Muhrenen und andere überauß köstliche Fische gefangen. Hat auch etliche warme Bäder / nach dem Riesengebürg. Man findet da allerley Getreide / Zugemüse / Röthe / Flachs / Calmuß / Wein / so sonderlich bey Sagan / und sonderlich im Croßnischen wächst) frembde Gewächs / Obst / Kraut / Ertz / Fließ-Gold / Silber / Kupffer / Bley / Eisen / Steinbrüch / Kalckstein / Wetzstein / Glaß / Saltz (wiewol dessen nicht genug / sondern solches auß Polen / und anders woher / gebracht werden muß) Salpeter / Wälder / wild- und zahme Thier / Butter / Käß / sonderlich Schafkäse / Schwein / Haußgeflügel / Federwildprät und Bienen. Es ist auch da ein grosser Garn- und Leinwad-Handel. Man kochet wol. Es gibt allda schöne und freundliche Weibs-Personen. So hat man / vor dem jetzigen verderblichen Krieg (in welchem Schlesien schier gar umgekehret worden / und an Seel / Leib / Haab und Gut / unwiederbringlichen / und einen solchen Schaden / Jammer und Noth / gelitten und außgestanden / so nicht wol zu beschreiben ist) viel Gastereyen gehalten / dabey es bißweilen übermachte Trünck / so / neben andern Sünden / auch die Straf übers Land gezogen / geben hat: wie dann ohne das die Ungarisch-Oesterreichisch- und Mährische Wein / die man da / neben dem Land-Wein / hat / gar starck seyn: wiewol man auch gut Weitzen- Gersten- und weiß Bier im Lande machet. Und seyn die Schlesier kostfrey; die auch / vordiesem / in Kleidungen und anderm / sowol in der Frembde / als zu Hause / einen grossen Pracht getrieben. Und haben die meiste Gebäu in Schlesien / die Welschen und außländische Teutschen / verfertiget. Man findet sonsten bey ihnen auch feine Ingenia, wann sie recht außpolirt werden / auch gemeinlich wol beredt seyn / und gute Haußwirth geben. Der gemeine Mann ist etwa / einfältig / leutscheu / von Natur unfreundlich / ernsthafftig und bäurisch / schamhafftig; daher auch von theils etlichen einfältigen Schlesiern / die niemals einen Esel gesehen / auffgetichtet worden / daß sie einen Esel / den sie nicht gekant / für einen grossen Hasen / zu Crossen geschossen / zum Zobten gebraten / und zu Breßlau solten auffgefressen haben: welches dann hernach von vielen Außländern ist geglaubt / und die Schlesier damit vexirt worden; da doch der Nam Eselsfresser / von einem Gold-Bergwerck / bey der Grafschafft Glatz gelegen / herkommen solle / so man den güldenen Esel genant / dessen Inhabere solches allein behalten / und gleichsam fressen / und keine Frembde darzu haben kommen lassen wollen. D. Georgius Tilenius, weiland Münsterbergischer Rath / hat / wider diejenigen / so die Schlesier mit dem Esel vexiren / folgende Reimen gebracht.

Dicis Grille, Asinos Silesia devorat omnes,
Si verum est, ne te devoret illa, cave.

Im übrigen seyn die Schlesier meistentheils gar gedultig / und können auch leichtlich zu einem Ding überredet werden. Es fangen theils Schlesier / wie die Italiäner und Böhmen / die Stunden vom Untergang der Sonnen an zu zehlen. Was das oberwehnte Ober-Ampt / oder die Obriste Hauptmannschafft im Lande Schlesien anbelangt / so ist selbige unter dem König Matthia Corvino auß Ungarn / der ein Zeitlang Schlesien inngehabt / auffkommen / und haben solche vordiesem die Bischöffe zu Breßlau verwaltet / biß Käiser Rudolff der

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1650, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bohemiae_Moraviae_et_Silesiae_(Merian)_202.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)