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hinaus ein persönliches, individuelles, aus einer ganz bestimmten Situation heraus sich ergebendes Element in ihm vorliegt, dessen Darstellung einem späteren Abschnitt vorbehalten bleibt. Im Zusammenhang damit wird auch zur Besprechung kommen, was speziell christlich darin ist.


II. Die Apokalypse im neutestamentlichen Kanon

Die ersten vielleicht beachtenswerten Zeugnisse[1] für ein eventuelles Vorhandensein der Apk finden sich in den ignatianischen Briefen. An Apk 21,3 erinnert in der Tat ad Eph 15,3 ἵνα ὦμεν αὐτοῦ ναοὶ (Apk 21,3 lesen ℵ A λαοί!) καὶ αὐτὸς ἐν ἡμῖν θεὸς ἡμῶν. Ferner gewinnt ad Philad. 6,1 der Satz: οὗτοι ἐμοὶ στῆλαί εἰσιν καὶ τάφοι νεκρῶν, ἐφ’ οἷς γέγραπται „μόνον“ ὀνόματα ἀνθρώπων an Prägnanz, wenn man darin eine Anspielung auf Apk 3,12ff. erblicken könnte[2].

Der erste Zeuge, bei dem man mit großer Wahrscheinlichkeit Bekanntschaft mit der Apokalypse konstatieren mann, ist Papias. Eusebius freilich weiß davon nichts zu melden. Aber das ist bei seiner Stellung zu unserem Buch nur zu begreiflich. Aber in dem, was er aus dessen Werk berichtet, finden sich starke Anklänge an die Apk: III 39,12 ἐν οἷς καὶ χιλιάδα τινά φησιν ἐτῶν ἔσεσθαι μετὰ τὴν ἐκ νεκρῶν ἀνάστασιν σωματικῶς τῆς Χριστοῦ βασιλείας ἐπὶ ταυτησὶ τῆς γῆς ὑποστησομένης. Eusebius führt freilich diese Meinung des Papias nicht auf die Apokalypse, sondern dem Zusammenhang nach παράδοσις ἄγραφος (III 39,11) zurück, nennt als mißverstandene Quelle des Papias die „ἀποστολικαὶ διηγήσεις“, und denkt dabei wohl vor allem an das von Johannes stammende bekannte Herrenwort von der fabelhaften Fruchtbarkeit des Weinstockes im Jenseits (vgl. III 39,11 ξένας τέ τινας παραβολὰς τοῦ σωτῆρος). Aber Eusebius Urteil, das sich auf eine Äußerung des Papias über seine Quellen nicht stützt, kann für uns nicht maßgebend sein. – So hat man zunächst keinen Grund zum Mißtrauen gegen das Zeugnis des Andreas von Caesarea, der in der Vorrede zu seinem Kommentar zur Apk bemerkt, daß neben jüngeren Zeugen auch die älteren „Papias“ Irenaeus Methodius Hippolyt τὸ ἀξιόπιστον des Buches bezeugten. Andreas hat den Papias noch selbst gelesen. Zu Apk 12,7 (52,40ff. ed. Sylburg) zitiert er – doch wohl sicher aus den fünf Büchern λογίων κυριακῶν ἐξηγήσεως – zwei Ausprüche des Papias über die zur Verwaltung der Erde gesetzten Engel und deren Fall[3]. Allerdings läßt sich nicht ausmachen, ob A. diese Worte bei Papias als Auslegung zu Apk 12 gefunden habe, – es ist sogar das Gegenteil wahrscheinlich. Aber immerhin ist damit Andreas


  1. Eine brauchbare Zusammenstellung der einschlägigen Stellen bei Alford The Greek Testament IV. 2². 1884.
  2. Nach der alle Instanzen abwägenden Untersuchung Harnacks, Chronologie I, 381-406, sind die Briefe in den letzten Jahren Trajans 110-117 (oder vielleicht einige Jahre später 117-125) geschrieben.
  3. Eine merkwürdige Parallele zu diesem Papiasfragment bringt Justin Apol. II,5, vgl. Lücke, Einleitung in d. Offb. Joh 528f.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen 1906, Seite 019. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S019.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)