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in Thyatira eine katholische Gemeinde existiere, und daß der Prophet beides, Abfall und Wiederherstellung, vorausgesehen habe. Durch diese Ausführungen wird es sehr wahrscheinlich gemacht, daß die Aloger Zeitgenossen und erbitterte Gegner der Montanisten waren. Damit stimmt denn auch überein, daß Epiphanius die Aloger als Gegner des Geistes und Leugner der Geistesgaben in der Kirche behandelt, so in seiner Beurteilung mit Irenaeus zusammentreffend. Es ist also doch wohl Zahn zuzustimmen, wenn dieser das Hauptmotiv für die Verwerfung der johanneischen Schriften bei den Alogern in dem scharfen Gegensatz gegen die Montanisten findet. Umgekehrt ist dann zu schließen, daß gerade die Montanisten an der Verheißung des Parakleten im vierten Evangelium und an der Hochschätzung der Prophetie in der Apk eine gewaltige Stütze fanden. Dagegen wird Harnack[1] nicht Recht zu geben sein, wenn er vor allem bei den Alogern antignostisches Interesse und eine adoptianische Christologie annimmt. Der den Gegensatz gegen die Logoslehre zum Ausdruck bringende Name Aloger scheint erst von Epiphanius eingebracht zu sein, der doch in demselben Atemzug zugestehen muß (Kap. 4. 424 C) δοκοῦσι γὰρ καὶ αὐτοὶ τὰ ἴσα πιστεύειν ἡμῖν. Recht unerklärlich aber bleibt jedenfalls von jenem Gegensatz gegen die Logostheologie aus die runde Verwerfung der Apk[2]. Daß die „Aloger“ endlich den Gnostiker Cerinth zum Verfasser der Schriften machten, geschah wohl nur, weil man den Cerinth als den häretischen Antipoden des Johannes kannte und mit dieser Behauptung am besten die Schriften diskreditieren konnte.

Einiges aus der Polemik der Aloger gegen die Apk teilt uns Epiphanius mit. Sie erklärten die Erzählungen der Apk von Engeln und Posaunen für nutzlos, spotteten über das Loslösen der vier Engel am Euphrat und die Beschreibung der höllischen Reiterscharen. Einer ihrer Gegengründe ist schon oben besprochen. Es sind die Einwände nüchterner — fast möchte man sagen, was die Behandlung des vierten Evangeliums betrifft — wissenschaftlicher Kritik. Immerhin ist es bedeutsam, daß in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts eine solche Kritik möglich war, daß, wenn auch, wie es scheint, nur in kleinen Kreisen (von Gelehrten?), die Überzeugung ausgesprochen wurde, zwischen der Überlieferung des Johannesevangeliums und der Synoptiker bestehe eine Spannung, in der Apk zeige sich ein phantastisches fremdes Element der Frömmigkeit. Für unsre Untersuchung aber ist ein Punkt besonders lehrreich. Die Aloger sind die frühesten Zeugen für die Zusammengehörigkeit von Evangelium und Apk des Johannes, als einer trotz aller Verschiedenheit aus den gleichen Kreisen hervorgegangenen Literatur. Beide Schriften gelten als die festesten Stützen des Montanismus, beide


  1. Das neue Testament um d. zweite Jahrh. 58ff.
  2. Die Unsicherheit, mit der ihnen Epiph. einen Gegensatz gegen die Christologie des vierten Evangeliums aufbürdet, wird deutlich Kap. 3, noch deutlicher Kap. 4, 424 D. sichtbar: καὶ δοκοῦσιν λοιπὸν ἐπιλαμβάνεσθαι τῆς ἁγίας καὶ ἐνθέου διδασκαλίας.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 024. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S024.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)