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werden, daß diese beiden Zeugen noch Mitglieder der Urgemeinde gewesen sind (Theol. Rundschau VIII 240)[1]. Mitglieder der Urgemeinde, die vielleicht allein damals noch am Leben waren, konnten sehr leicht einer späteren Generation als direkte Herrenjünger erscheinen. Daß aber um 100 noch einige Mitglieder der Urgemeinde lebten, die von den frühesten Zeiten dieser angehört hatten, gehört in das Gebiet der Möglichkeiten.

IV. Wird es nun möglich sein diesen Presbyter Johannes, den älteren Zeitgenossen und Hauptzeugen des Papias, zu dem Apokalyptiker Johannes in irgend eine Beziehung zu setzen? Es ist zuzugestehen, daß das bisher Festgelegte zu einem Schluß nicht ganz ausreicht, vor allem deshalb, weil wir in den Angaben des Papias kein direktes Zeugnis für die an sich allerdings sehr wahrscheinliche Annahme finden, daß der Wirkungskreis des Presbyters Kleinasien gewesen sei, wir vielmehr hier auf Wahrscheinlichkeitsgründe angewiesen sind. Wir werden deshalb, um zu einem bestimmten Ziel zu gelangen, mit unsrer Untersuchung noch weiter ausholen müssen.

Dabei richtet sich unser Blick in erster Linie auf die sogenannten Presbyterfragmente des Irenäus.Es handelt sich um fünf offenbar eng zusammengehörige Fragmente, als deren Gewährsmänner οἱ πρεσβύτεροι genannt werden II 22,5; V 5,1; V 30,1; V 33,3; V 36,1. In dreien dieser Fragmente werden die Presbyter in sehr enge Beziehung zu dem in Asien lebenden μαθητής ᾿Ιωάννης gerückt: II 22,5: καὶ πάντες οἱ πρεσβύτεροι μαρτυροῦσιν οἱ κατὰ τὴν Ἀσίαν ᾿Ιωάννῃ τῳ τοῦ κυρίου μαθητῇ συμβεβληκότες. – V 30,1: καὶ μαρτυρούντων αὐτῶν ἐκείνων τῶν κατ᾿ ὄψιν ᾿Ιωάννην ἑωρακότων. – V 33,3: quemadmodum presbyteri meminerint, qui Joannem discipulum domini viderunt. An den beiden andern Stellen werden die Presbyter als ἀποστόλων μαθηταί eingeführt. Nun ist es durch die Untersuchungen von Harnack (Chronologie I 333-340) und Corßen[2] (Ztschr. f. d. neutest. Wissensch. II 202ff.) außerordentlich wahrscheinlich gemacht, daß diese Presbyterfragmente des Irenäus nichts andres seien als Zitate aus dem Werke des Papias. Irenäus hätte dann eben, anstatt die Quelle zu nennen, aus der er schöpfte, nämlich Papias, die Quelle seiner Quelle zitiert. Da er in dem Prooemium des Papias las, daß dieser


  1. Den Versuch Mommsens, auf Grund der syrischen Übersetzung das τοῦ κυρίου μαθηταί ganz zu streichen, Ztschr. f. neutest. Wissensch. III 242ff., hat der Herausgeber der Kirchengeschichte des Eusebius abgelehnt (E. Schwartz, der Tod der Söhne Zebedäi 9); Harnack, Chronologie I 660 weist darauf hin, daß μαθηταί τοῦ κυρίου eine altertümliche, auf die ersten Zeiten gehende Selbstbezeichnung der Christen sei, vgl. Schwartz l. c. 12f.
  2. Der Hauptbeweis beruht auf der Beobachtung, daß nach Iren. V 33,3f. die Überlieferung der Presbyter, qui Joannem discipulum domini viderunt, über den Herrenausspruch von der Fruchtbarkeit des Weinstocks in der Endzeit ausdrücklich zugleich auf das Vierte Buch des Werkes des Papias zurückgeführt wird. Dazu hat Corßen den Beweis erbracht, daß das ganze umfangreiche Zitat nicht auf mündlicher, sondern nur auf schriftlicher Überlieferung beruhen könne (vgl. im Text, nach der Erwähnung der Papiasquelle die merkwürdige mit: et adjecit (sc. Joannes) dicens – beginnende Ausführung. Überhaupt erinnert die Art der Einführung sämtlicher Fragmente unmittelbar an Papias Ausführung über seine Quellen bei Euseb. III 39,3ff.; vgl. noch meine Ausführungen Theol. Rundschau VIII 241ff.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 040. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S040.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)