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die Abstammung des Antichrist aus Dan alte Tradition war[1]. Schon bei I. sind die historischen Beziehungen der Schrift gänzlich aus der Erinnerung geschwunden. Er gibt eine mühsame allegorisierende Ausdeutung der Zahl 666 (V 28,2f. 29,2) und verwirft eigentlich alle Ausrechnung eines bestimmten Namens, obwohl er, um zu zeigen, daß er auch hierzu imstande ist, als mögliche Auslegungen Euanthes, Lateinos, Teitan, wahrscheinlich doch von ihm schon vorgefundene Lösungen, nennt V 30,2f. Nachdrücklich bekämpft er die falsche Lesart der Zahl (616), namentlich diejenigen, welche auf Grund dieser Lesart falsche Deutungen empfohlen haben V 30,1. — Wesentlich näher als die späteren Exegeten steht I. der Apk in einem Punkt: er ist Chiliast. Nach der Besiegung des Antichrist werden die Frommen 1000 Jahre (den siebenten Wochentag der Weltdauer) mit Christus in Jerusalem herrschen V 30,4; V 32,1; V 35,1ff. Als Zweck dieses Zwischenreichs wird angegeben, daß es sei principium incorruptelae, per quod regnum, qui digni fuerint, paulatim assuescunt capere Deum. V 32,1 vgl. V 35. Alle Weissagungen von einem irdischen zukünftigen Zustand der Seligkeit beziehen sich auf dieses Zwischenreich. Auch das Wort des Presbyters von der Fruchtbarkeit des Weinstockes bezieht sich auf diese Zeit (V 33,3)[2]. Dann wird das allgemeine Gericht erfolgen, ein neuer Himmel und eine neue Erde. Jedoch tritt kein eigentlicher Weltuntergang, sondern nur eine Verwandlung ein[3]. Im Jenseits werde es verschiedene Wohnungen geben: im Himmel, im Paradiese, in der neuen Stadt (Tradition der Presbyter) V 36,1. Auch die einzelnen gelegentlichen Bemerkungen des I. sind von Einfluß auf die späteren Kommentatoren gewesen. Die vier Cherubim werden schon bei I. auf die Evangelisten gedeutet (Joh. der Löwe, Lk. der Ochse, Mt. Mensch, Mk. Adler)[4], zugleich auf die verschiedenen Charaktere und Attribute Christi III, 11,11 [11,8]. — Die Nicolaiten werden auf den Akt 6,5 genannten Diakon Nicolaus zurückgeführt I, 23 [26,3].

Nach Irenäus muß hier dessen Schüler Hippolyt genannt werden. Von Hippolyt kommen folgende Werke in Betracht[5]: 1) die ἀπόδειξις ἐκ τῶν ἁγίων γραφῶν περὶ τοῦ Χριστοῦ καὶ περὶ τοῦ Ἀντιχρίστου. Hier berücksichtigt H. namentlich die Kap. 11; 12; 13; 17; 18. 2) der Danielkommentar (nach Dan IV 7; 13 später als περὶ τοῦ Ἀντιχρίστου), in dem sich manche einzelne Stellen (Kap. 5) behandelt finden. 3) ein verloren gegangener Kommentar zur Apk. Fragmente desselben haben sich vielleicht in einem arabischen Kommentar erhalten, dessen Handschrift sich auf der Pariser Bibliothek befindet[6]. 4) eine verloren gegangene, nur noch in einzelnen


  1. Bousset, Antichrist 112f.
  2. Den Chiliasmus teilt auch Tertullian adv. Marcion III, 24: nam et confitemur in terra nobis regnum repromissum, sed ante coelum, sed alio statu, utpote post resurrectionem, in mille annos in civitate divini operis Hierusalem coelo delata.
  3. V 36,1: οὐ γὰρ ἡ ὑπόστασις, οὐδὲ ἡ οὐσία τῆς κτίσεως ἐξαφανίζεται. - ἀλλὰ τὸ σχῆμα παράγει τοῦ κόσμου τούτου.
  4. Die Deutung ist singulär. (Gewöhnlich wird Mk. der Löwe, Joh. der Adler beigelegt.) Sie ist zustande gekommen, indem mit der Reihenfolge der Tiere bei Ezechiel: Mensch, Löwe, Ochse, Adler die Reihenfolge der Evangelien: Matth., Joh., Luk., Mark. kombiniert wurde. Freilich muß Irenäus, der die Evangelien in der Reihenfolge Mt., Mk., Lk., Jo. aufzählt (III 1,1) und die Tiere in der Reihenfolge der Apk (III 11,11) die Erklärung bereits vorgefunden haben. Wie Irenäus zählt Victorin nach dem vor kurzen aufgefundenen ursprünglichen Text seines Kommentars.
  5. Ausgabe von Bonwetsch und Achelis „die griech. christl. Schriftsteller d. ersten Drei-Jahrhunderte“ Hippolytus I. 1. 2. Dazu H. Achelis, Hippolytstudien. Leipzig 1897.
  6. P. Lagardii Ad analecta sua syriaca Appendix. Berol. 1858. Übersetzt in Achelis’ Ausgabe 230-237. Hinzu kommt ein syrisches Fragment aus Jakob v. Edessa (ebenda 236f.) und ein altslavisches Fragment (ebenda 237f., vgl. Achelis WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Hippolytstudien 179-181). — Über die Echtheit der Fragmente wage ich nicht zu entscheiden. Einen archaistischen Charakter tragen sie an sich. Aber fast überall, wo wir vergleichen können, differieren die Auslegungen mit den nachweisbar echten des H. Diese durchgehende Verschiedenheit scheint mir ein Grund gegen die Echtheit zu sein. Ich kann mich auch nach Achelis’ (Hippolytstudien, S. 182ff.) Ausführungen nicht von dem Wert der arabischen Überlieferung überzeugen. A. meint, daß die Zitate des Andreas aus Hippolyt sich nur mit den arabischen Fragmenten deckten. Aber das Zitat IV aus Andreas (S. 183) gibt genau die Meinung Hippolyts im Danielkommentar IV 23 über Apk 17,10 wieder und nicht die der arabischen Fragmente. (Beziehung der sieben Könige auf die sieben Zeitalter,nicht auf wirkliche Herrscher). Die Angabe des Andreas (Zitat II), daß Hippolyt gerade nicht das zweite Tier, sondern das erste Tier in Kap. 13 auf den Antichrist bezogen, wird ein Irrtum des Andreas sein, denn die Deutung von Kap. 13 der Apk ist bei H. in den nachweislich echten Werken vollkommen stabil (s. o.). Über die Unechtheit des slavischen Fragments s. Bratke Th. Lt. Bl. 1892, 503-506. 519-522. — Die Existenz des Kommentars ist übrigens von Hieron. de viris illustr. 61 u. ö. (Achelis, Hippolytstudien, S. 14. 16. 18) bestimmt bezeugt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S050.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)