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berechnet, und da er das Ende der Welt sehr nahe erwartete, so kommen wir mit dem Zeitansatz für den Kommentar in die Zeit vor 380. Dieselbe Zeitbestimmung übrigens, die auch für die regulae[1] desselben Schriftstellers gilt.

Ticonius ist Donatist. Er findet in der Apk durchweg die Leiden und Hoffnungen seiner Kirche geweissagt[2]. Er sieht in den gegen die wahre Kirche verbündeten Tiermächten das den Donatisten feindliche weltliche Regiment und die verweltlichte katholische Kirche mit ihren falschen Führern (Bischöfen und Priestern). Wie es scheint bekämpft er auch eine Richtung innerhalb der eignen donatistischen Partei[3]. Denn während er für gewöhnlich nur eine Dreiteilung der Menschen in pagani, vera et falsa ecclesia kennt, erwähnt er gelegentlich als vierten Teil noch das Schisma und spielt dabei wohl auf Vorgänge in Afrika an[4]. Die Anhänger der katholischen Kirche sind ihm durchwegs die falsi fratres und hypocritae. Doch sind — und hier beginnt nun die charakteristische Eschatologie des Ticonius — keineswegs in jener Kirche der falschen Bischöfe alle Mitglieder der wahren Kirche verschwunden. In Afrika freilich ist in offenem Kampf die wahre Kirche offenbart worden. Aber daß nicht in Afrika allein das Wort Gottes bewahrt geblieben ist, beweist für Ticonius die Weissagung, die Philadelphia gegeben ist[5], daß eine Versuchung über die gesamte Erde kommen soll. Es wird die Zeit kommen, in der die wahre Kirche nach den Verfolgungen in Afrika in der ganzen Welt ihre Predigt hören lassen wird. Dann wird überall eine neue separatio eintreten[6]. Wer dann noch von der Kirche sich trennt, wird keine Zeit mehr haben zurückzukehren[7]. Die wahre Kirche und die falsche Kirche werden auf der ganzen Erde zur Erscheinung kommen[8]. Dann wird endlich die große Verfolgung beginnen, die dreieinhalbjährige Zeit[9] des Antichrist[10].

Die von Tic. sehr konsequent festgehaltene Methode der Auslegung der Apk ist eine streng spiritualistische[11], und die einheitliche geschlossene Durchführung dieser Methode ist es wohl gewesen, die dem Kommentar seinen


  1. ed. Burkitt, Text and Studies III 1 Cambridge 1894.
  2. Des Tic. Kommentars als Quelle für die Theologie des Ticonius und die Geschichte des Donatismus auszubeuten, hat Hahn in der genannten vortrefflichen Untersuchung begonnen. Es bleibt hier noch genug lohnende Arbeit. Denn es handelt sich hier um die Wiederentdeckung einer in der Überlieferung fast verschollenen, höchst charakteristischen und bedeutenden Persönlichkeit der Kirchengeschichte.
  3. Tic. gehörte zu den Gemäßigten, er hält an der Einheit der Kirche in den Sakramenten fest, s. den interessanten Abschnitt Beatus p. 56: baptisma non iteramus.
  4. Beatus 298.
  5. Beatus 212.
  6. In Apk 10,11, Beatus 390, vgl. auch die leider nur in einem verdorbenen Text erhaltene Auslegung zur 6. Posaune Beatus 378.
  7. Beatus 215.
  8. Vgl. die Auslegung des dreifach gespalteten Babylon Beatus 486f.
  9. An dieser Zeitbestimmung für die Dauer der Zeit des Antichrist hält Tic. fest.
  10. Ich kann hier jetzt für alles weitere Einzelne auf T. Hahns ausführliche Darstellung S. 57ff. verweisen.
  11. S. die vorzügliche Charakteristik bei Gennadius a. a. O.: exposuit et apc. J. ex integro nihil in ea carnale sed totum intelligens spirituale ... mille quoque annorum regni in terra justorum post resurrectionem futuri suspicionem tulit.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 058. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S058.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)