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dies neue evangelium aeternum enthalten, sagt Joachim nirgends, so weit ich sehe. — J. geht in seinen apokalyptischen Berechnungen von der Beobachtung eines genauen Parallelismus zwischen altem und neuem Testament aus. Die 42 Geschlechter, welche das neue Testament umfassen soll, sind z. B. erschlossen aus den 42 Geschlechtern des alten Testaments (Mt 1,1ff.; vgl. Apk 11,3). Zwischen den einzelnen Geschlechtern herrscht ein genauer Parallelismus. Es steht z. B. der Prophet Elias in genauer Parallele mit Benedictus, dem Gründer des abendländischen Mönchstums, und Abraham, Isaak, Jakob entsprechen Zacharia, Johannes, Jesus[1].

Uns interessiert vor allem seine Auslegung der Apk[2]. J. schrieb das Werk nach 1195. — Man ist nun von vornherein geneigt, sich von dem Werk die Vorstellung einer apokalyptischen Geheimschrift zu machen. Es ist aber in der Tat ein grundgelehrtes, ziemlich trockenes und pedantisches Werk, das in stark gekürztem Druck 450 Quartseiten einnimmt. J. setzt sich in demselben — es ist das in dieser Zeit ein seltener Fall — mit andern exegetischen Arbeiten auseinander, besonders ausführlich mit Augustin, Hieronymus, Gregor. Er sucht sogar oft eine Grenze zu gewinnen zwischen dem, was man sicher entscheiden könne und dem, was unsicher bleibe. Er betont oft, daß er, was er sage, nur vermutungsweise sage. Er bespricht sogar Textvarianten und rekurriert auf den griechischen Urtext. Er hat auch die jüngere exegetische Literatur gekannt, wenn er sie auch nicht zitiert. Er teilt sein Buch in acht Teile[3] und folgt dabei der Einteilung Bedas in sieben Bücher, nur läßt er das siebente Buch mit Apk 20,1 (statt 21,1) beginnen und kennt noch ein achtes (von Apk 20,11 an).

Die sechs ersten Bücher der Apk bringen sechs Leidenszeiten der Kirche, das siebente behandelt „den Sabbat“, das achte die ewige Ruhe. Zunächst kommen für ihn vier Zeiten in Betracht entsprechend den vier ordines der Kirche: die Zeiten der apostoli, martyres, doctores ecclesiae, virgines. Den vier ordines gegenüber stehen als Gegner die Iudaei (Herodes), Romani (von Nero bis Diocletian), Ariani[4], Saraceni[5]. Wer könnte in diesen Ausführungen das seit Haymo und Strabo geläufige Schema der Auslegung der Apk verkennen! Die fünfte Zeit ist die Zeit des Kampfes der ganzen Kirche gegen Babylon, die sechste die Zeit des Antichrist. Diesen einzelnen


  1. Da man immer von einem dieser Drei aus den Beginn des alten, resp. neuen Bundes berechnen kann, so kommt ein gewisses Schwanken in die ganze Rechnung, derer aber J. in seinem System bedarf. Daher kann auch das Ende mit Sicherheit nur auf zwei bis drei Generationen berechnet werden. In der Zeit von 1200-1260 kann nach J. jeden Augenblick das Ende kommen. Diesem Schwanken in den Angaben entnimmt Preger Bedenken gegen die Echtheit der Schriften J.s, und auch Reuter kann dasselbe nicht enträtseln 357.
  2. Expositio magni abbatis Ioachimi in Apoc., cui adjecta sunt eiusdem psalterium decem chordarum. Venetiis in Edibus Francisci Bindoni ac Maphei Pasini 1527 (vorhanden in der Berliner Bibliothek).
  3. In der Überschrift sind nur sechs Bücher angegeben, aber irrtümlicher Weise.
  4. Wieder vierfach geteilt in die arianischen reges Constantinopolitani, Vandali, Gothi, Langobardi, so daß auf diese Weise die sieben Häupter des Tieres herauskommen (Parallelen bei Rupert v. Deutz u. a.).
  5. Die Muhamedaner treten in Ägypten als Gegner des Mönchstums auf. Die ganze muhamedanische Religion wird als Antimönchstum aufgefaßt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 074. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S074.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)