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er sich denn auch mit den üblichen Abweichungen eng an Luther an. Seinem Text hat er den größten Teil des Kommentars von Hugo Grotius, den er bitter bekämpft, einverleibt. Besonders aber mache ich auf die mit großem Fleiß und großer Umsicht geschriebene Einleitung aufmerksam. Calov hat die Werke der Jesuiten in der Einleitung gut und selbständig benutzt, er umfaßt so die katholische und protestantische Literatur. In der Weise Alcasars gibt er einen noch immer lehrreichen Überblick über die verschiedenen Methoden der Auslegung. An wirklicher Gelehrsamkeit steht Calov weit über allen protestantischen Zeitgenossen.

10. Die von Luther unabhängigen Ausleger der protestantischen Kirche.

Hieran schließe ich einen Überblick über die Kommentare der Reformationskirchen, die sich Luther gegenüber selbständig halten. Wir müssen zunächst ein Stück zurückgehen und noch einige Kommentare besprechen, die vor Luthers Auslegung geschrieben sind.

Franciscus Lambertus schrieb bereits 1528 einen Kommentar zur Apk[1]. Im Anfang der Erklärung lehnt Lambertus sich ganz an die gebräuchliche Auslegung (Ticonius-Beda-Haymo-Strabo) an (vgl. die Auslegung der drei ersten Siegel, auch die gebräuchliche Siebenteilung des ganzen Buches). Aber schon im vierten Siegel findet er die Türken, im sechsten Siegel, wieder mit fast allen Auslegern, die letzten Zeiten des Antichrist, im siebenten die kurze Ruhezeit nach der Besiegung des Antichrist. Von hier an aber beginnt für L. die direkt antipapistische Auslegung der Apk. Zwar identifiziert er weder Papst noch Türken mit dem Antichrist, aber diese sind ihm das Vorspiel der noch viel schrecklicheren antichristlichen Macht (vgl. den Gedanken vom antichristus mysticus bei den spirituellen Franziskanern). Apk 17,10 deutet er die fünf gefallenen Könige auf die vielen dem Papsttum von den Türken abgenommenen Königreiche. Merkwürdig ist, daß Lambertus Apk 20 chiliastisch auf die kurze Ruhezeit nach der Besiegung des Antichrist deutet.

Melchior Hoffmann, Auslegung der heimlichen Offenbarung Joh., (1530) gibt ebenfalls im Anfang seiner Auslegung die seit Beda gebräuchliche Deutung, findet aber im vierten Siegel schon das Papsttum, im sechsten die Zeit Hussens. In den Posaunen sind Irrlehrer angedeutet, in der fünften und sechsten findet Hoffmann wieder das Papsttum. Die fünf Monate der Heuschrecken bedeuten die 150jährige Herrschaft des Papstes von Hussens Zeit an gerechnet. Apk 13 A wird auf das aus dem römischen Reich stammende Papsttum gedeutet, 13 B auf das falsche Prophetentum, 17,10 auf sieben auf einander folgende Reiche, von denen das sechste das römische, das siebente das Papsttum ist. Chiliast ist H. nicht. Hier und da kommen seine spezifisch theologischen Ideen zum Ausdruck (Apk 13,10. 19,12). Er feiert in dem Kommentar wesentlich Huß und Hieronymus; von Luther ist, soweit ich sehe, nicht die Rede.

Sebastian Meyer schrieb seine Auslegung nach Panzers Annalen bereits 1534[2]. Die Auslegung, die sich an Beda und Strabo anlehnt, ist noch sehr altertümlich gehalten. M. gibt an vielen Stellen neben seiner eigenen Auslegung in extenso ältere Auslegungen, namentlich die des Rupert v. Deutz. Auch seine Auslegung ist


  1. Fr. Lamb. Avinionensis in sanctam divi Joannis apocalypsim Libri VII. (Marburg) 1528.
  2. Walch gibt 1554 an, ich benutzte die Ausgabe Tiguri 1603.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 086. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S086.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)