Seite:Bousset-S099.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

geschrieben, alles übrige unter Vespasian, als dieser in Judäa war[1]. Auch im einzelnen weicht Hammond nur selten von Grotius ab. So verzichtet er auf die Deutung der Zahl 666 und meint, daß man sie nach dem hebräischen Alphabet deuten müsse. Die Vögel, die Apk 19,11ff. zur Mahlzeit gerufen werden, sind nach H. sogar die Goten und Vandalen.

Einen hervorragenden Charakter zeigen die kurzen Anmerkungen, die Clericus dem Werk des Hammond in seiner lateinischen Übersetzung[2] zugesetzt hat. Sie sind in ihrer abwägenden, vorsichtigen und vornehmen Art geradezu klassisch. Man lese z. B. folgende Sätze: Noster quidem conjectarum conjecturis superstruit nec veretur, ne aedificium tam infirmo tibicine corruat. at cauti est interpretatoris, quam parcissimum esse in conjecturis et in re dubia abstinere a consectariis; nam quo plura incerta in uno colliguntur, eo majorem habet falsitatis speciem, quod dicitur, aut certe in majore errandi periculo versantur, sed ... profiteor me non intelligere haec vaticinia.

Den Alcasar und Grotius folgte Bossuet[3]. Er setzte sich in der Einleitung mit der nach ihm von Augustin (= Ticonius) stammenden spiritualisierenden Deutung, der kirchengeschichtlichen eines Lyra, der endgeschichtlichen eines Ribeira, Viegas auseinander. — Seine eigne Deutung verläßt freilich doch wieder an entscheidenden Punkten die Bahn Alcasars und Grotius’. Die Apk wird bei ihm zu einer fortlaufenden Darstellung der Geschichte des römischen Reiches von Trajan bis zur Zerstörung Roms durch Attila. Im sechsten Siegel findet er bereits die Zerstörung Jerusalems, in den vier Posaunen den Barkochba-Aufstand. Von da an deutet er alles auf die folgende Geschichte der Christenheit im römischen Reich.

Denselben Schritt von Alcasar und Grotius wieder hinüber zur weltgeschichtlichen Deutung tat Dan. Herväus[4], der die Apk auf die Geschichte des römischen Reiches bis Theodosius deutet. Mit den Engländern (s. o.) findet er in Kap. 12 bereits die Geburt Constantins und dessen Sieg. Dann tritt mit Kap. 13 eine Rekapitulation ein. Die sieben Kaiser zählt er von Galba bis Domitian (s. o. die Auslegung Victorins), und hier tritt zum ersten Mal der Gedanke auf, daß Domitian der nero redivivus sei.


15. Aufkommen der chiliastischen Auslegung in deutschen pietistischen Kreisen.

Bisher hatte die in den evangelischen Kirchen herrschende Auslegungsweise im Anschluß an die Tradition und namentlich an die Auffassung der alten Kirche die Weissagung der Apk vom 1000jährigen Reich in irgend einer


  1. Die Notiz des Irenäus ἐπὶ τῷ τέλει τῆς Δομετιανοῦ ἀρχῆς bezieht er auf die stellvertretende Regierung des Domitian für seinen Vater während des jüdischen Krieges.
  2. Nov. Test. domini nostri J. Chr. ... cum paraphrasi et annotat. H. Hammondi ex anglica lingua in latinam transtulit suisque animadversionibus illustravit. Amstelod. 1698.
  3. L’apocalypse avec une explication par J. B. Bossuet 1688.
  4. Apocalypsis Jo. ap. explanatio historica. Lugduni 1684.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S099.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)