Seite:Bousset-S121.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Methoden der Auslegung oft bei denselben Schwierigkeiten in der Komposition der Apk einsetzen. Man wird jetzt natürlich eher geneigt sein, solche Unerklärlichkeiten in der Komposition durch Quellenscheidung als durch die Rekapitulationstheorie zu heben. Aber ich glaube nicht, daß letztere ganz bei Seite gesetzt werden kann. — Das Resultat der auf die Apk angewandten Literarkritik ist nun wohl dies, daß sich die Überzeugung von der ungeheuren Schwierigkeit, das Buch als eine einheitliche Schrift zu verstehen, fast allgemein durchgesetzt hat. Und mit der literarkritischen Methode verbanden sich religionsgeschichtliche Gesichtspunkte; man begann zu fragen, wie weit die Apk überhaupt auf dem Boden christlicher Anschauung verständlich sei. Man vergaß aber leider bei der nun beginnenden Jagd nach Quellen und bei allen sich gegenseitig immer wieder aufhebenden Rekonstruktionsversuchen die Apk zugleich als eine literarische Einheit, als welche sie sich doch gibt, zu betrachten. Dann ist durch Gunkel eine neue Methode in der Erklärung der Apk eingeführt, die man die traditionsgeschichtliche nennen kann. Unbewußt hatte man diese freilich schon hier und da angewandt (z. B. Spitta in der Deutung des siebenköpfigen Tieres). Aber es bleibt Gunkel das Verdienst, daß er dieselbe mit vollem Bewußtsein und konsequent durchgeführt hat. Durch ihn wurde die Forschung mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, wie stark in aller Apokalyptik das einfach traditionelle Element sei. Und daraus ergab sich die Forderung, daß man das ganze Material solcher weitergegebenen Vorstellungen und Traditionen in möglichst umfassender Weise überblicken müsse, ehe man an die einzelne Apokalypse, die Erforschung ihrer Eigentümlichkeit und historischen Bestimmtheit gehen könne. Mit dieser traditionsgeschichtlichen Methode führte Gunkel in die Erklärung aller Apokalyptik zugleich die religionsgeschichtliche Betrachtungsweise im großen Stil ein. In den volkstümlichen Zukunftshoffnungen und den Vorstellungen vom Ende der Welt ist ein Gebiet gegeben, auf welchem das Für-Sich der einzelnen Religion weniger gewahrt bleibt und die verschiedenen Religionen in einander fließen. Daher wird der Forscher, der die Traditionsgeschichte apokalyptischer Vorstellungen übersehen will, seinen Blick über die verschiedenen in Betracht kommenden Religionen wandern lassen müssen. Die bei der Apk so beliebte Fragestellung: jüdisch oder christlich, erweist sich als viel zu eng. Damit, daß Vorstellungen in der Apk als nicht genuin christlich erwiesen werden, ist noch lange nicht ihre Herkunft aus dem Judentum bewiesen. — Es mag übrigens hervorgehoben werden, daß auch Gunkel trotz seiner scharfen Polemik nicht daran denkt, der zeitgeschichtlichen und literarkritischen Auslegungsmethode ihr relatives Recht abzusprechen. Es wird in der Tat namentlich die zeitgeschichtliche Deutung ständig ihr gutes Recht an der Apk behaupten. Ja, es kann gesagt werden, daß durch diese das Verständnis der einzelnen Apk überhaupt erst abgeschlossen und ermöglicht wird. Zu beachten ist endlich, wie in G.’s Untersuchung auch das Recht der endgeschichtlichen Auslegung auf seinen richtigen Ausdruck gebracht wird, wie denn G. sich gern hier und da auf Kliefoth beruft. Noch mehr als die modernen, den Realismus der Apk abschwächenden apologetischen Arbeiten,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S121.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)