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von ihm künstlich bald so, bald anders gedeutet wurden. Auch wir pflegen mit Symbolen in derselben Weise zu spielen und ihnen bewußt bald diese bald jene Deutung unterzulegen.

Vor allem aber haben wir nun unsre Aufmerksamkeit darauf zu richten, wie der Apok. die beiden Symbole hier verstanden haben will. Die Deutung der sieben Leuchter auf die sieben Gemeinden ist in sich klar, große Schwierigkeit aber bereitet die andere der sieben Sterne auf die sieben Engel der Gemeinden. Jedenfalls sind damit die im Eingang der einzelnen Sendschreiben erwähnten ἄγγελοι gemeint. Aber wer sind diese ἄγγελοι? 1) Nach Ebr. Sp. sollen Boten der einzelnen Gemeinden gemeint sein, nach Ebr. nur in der Vision existierende, nach Sp. wirkliche Boten, welche die einzelnen Gemeindeschreiben überbringen sollen. Doch ist die Vorstellung Sp.s, daß im folgenden wirklich sieben durch Boten zu überbringende Gemeindeschreiben vorlägen, eine durchaus unglückliche. (Der anderen Schwierigkeit, die dieser Deutung entgegensteht, wie nämlich Sterne Symbole für einfache Boten sein sollen, entgeht Sp., indem er 1,20 dem Redaktor zuweist). 2) Vitr., de Synag. vet. ed. II 889-914, Comm. in apoc. ed. II p. 25; Lightfoot, Horae Hebr. ad Mt 4,23; Schoettgen p. 1089 zu Ap 2,1, Beng., Eichh., Heinr., Ew. u. a. finden hier den שְׁלׅיחַ צׅבּוּר, den Synagogenboten (Diener) wieder, ebenfalls eine unmögliche Anschauung, weil an einen untergeordneten Beamten nicht zu denken ist (auch nicht etwa an den Vorleser, wie aus dem Inhalt der Gemeindeschreiben hervorgeht). 3) Mit Berufung auf Mal 2,7 und das Symbol der Sterne für die Lehrer fanden eine große Zahl der Ausleger hier hervorragende Gemeindeglieder: Vorsteher, Lehrer, Bischöfe oder Presbyter. Der Apok. hätte dann also die im Bilde vorgefundenen sieben Sternenengel auf hervorragende Persönlichkeiten der Gemeinden, an die er schrieb, gedeutet. Da unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Auslegung mit dem ἄγγελος jedesmal nur eine Persönlichkeit gemeint sein muß, die an der Spitze der Gemeinde steht, so kann eigentlich nur der Bischof in Betracht kommen (so neuerdings Zahn Einl. II 606. J. Weiß 49). Dagegen kann nicht der sonstige Sprachgebrauch der Apk hinsichtlich des Wortes ἄγγελος sprechen. Aber ungelöst bleibt die Frage, weshalb denn in aller Welt die ἐπίσκοποι hier plötzlich ἄγγελοι genannt werden. Man kann sich auch schwer vorstellen, daß neben Johannes bereits ein Bischof die Gemeinde in Ephesus regiert hätte, zumal wenn es richtig ist, daß noch der dritte Johannesbrief gerade die „johanneischen“ Kreise in einem starken Antagonismus zur Episkopalverfassung zeigt[1]. 4) Weit verbeitet ist auch die Anschauung, daß der


  1. Auch Zahn hat mich mit seinen scharfsinnigen Ausführungen nicht überzeugt. Die richtige Erklärung wird von Z. mit dogmatischen Gründen abgewiesen. Alle Stellen, die Zahn zugunsten seiner Erklärung beibringt, lassen sich ebenso gut begreifen, wenn in dem ἄγγελος die durch den Engel repräsentierte Gemeinde angeredet wird. Andere Vermutungen, wie daß 2,9 auf den Märtyrertod des Polykarp gehe, und daß der Bischof von Sardes wegen 3,1 Zosimos oder Zotikos geheißen habe (so schon Bengel), können wir als reine Phantasien beiseite lassen. J. Weiß erklärt sich durch Zahn überzeugt, namentlich durch dessen Verteidigung der Lesart γυναῖκά σου 2,20, welche freilich die Streitfrage entscheiden würde. Ich kann die Lesart nicht mit WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Zahn für „zweifellos echt“ halten (s. den Komm. zur Stelle). Wenn übrigens Weiß die Hypothese Zahns akzeptiert, so stürzt er damit seine eigne von der frühen Abfassung der Briefe.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S200.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)