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Gottesgestalt noch unvereinbart neben einander stehen, unser Apok. die Vorstellung ausgeglichen hat. Er schaut vom Leibe des Menschengestaltigen nur die wirklich vom Gewand entblößten Teile, nicht wie Dan den Leib und die Lenden. Ob der Apok. das ganze Bild selbst entworfen oder ob zwischen ihm und den alttestamentlichen Vorbildern noch Zwischenstufen anzunehmen sind, mag dahingestellt bleiben. Möglich, daß dem Apok. bereits eine ausführlichere Zeichnung des zum Hades gefahrenen Menschengestaltigen vorlag. Beachtenswert bleibt, daß er nicht den in den Evangelien so geläufigen Ausdruck υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου gebraucht, sondern das Altertümliche ὅμοιος υἱὸν (υἱῷ) ἀνθρώπου. Das weist vielleicht auf eine ältere Grundlage der Schilderung. Jedenfalls haben wir in dem Abschnitt ein grandioses Prooemium der ganzen Schrift. Die Gestalt, die der Apok. zeichnet, ist wuchtiger und eindringlicher als die der alttestamentlichen Parallelen. Sie ist ganz in Gold und Licht und Glanz getaucht. Geheimnisvoll erhaben klingt ihre Charakterisierung als die des Gestorbenen und doch Lebendigen. Als solche tritt sie dem Seher freundlich nahe: „Ich bin es, fürchte dich nicht“ und enthüllt sich ihm als der mächtige Gewalthaber über Hades und Tod. Dieser Herr ist es, der seinem Seher und seinen Gemeinden die folgenden Offenbarungen zu Teil werden läßt.


Die Sieben Sendschreiben. Kap. 2-3.

2,1-7. Ephesus. 2,1. τῷ ἀγγέλῳ „τῆς ἐν Ἐφέσῳ ἐκκλησίας“[1] γράψον. Als erste unter den sieben Gemeinden ist Ephesus genannt, in Jonien am Kayster gelegen, die faktische Hauptstadt der Provinz, die sich selbst auf Münzen πρώτη μητρόπολις nannte, obgleich Pergamon die eigentliche und alte Attalidenhauptstadt war. Hier sein Amt anzutreten, war der Statthalter verpflichtet. Hier herrschte der Kultus der Diana. E. nannte sich die Neokorenstadt der Diana Akt 19,28. Später war E. auch Hauptsitz des Kaiserkultus. Unter Antoninus Pius nennt es sich auf den Münzen δισνεωκόρος, besaß also den Provinzialtempel mindestens eines Kaisers, vielleicht von zweien, da es unsicher ist, ob die Neokorie des Dianatempels nicht vielleicht als erste gerechnet ist (Mommsen V, 303ff. Büchner, de neocoria. Gießen 1888. Marquardt, römische Staatsverwaltung I, 340ff.). E. war der alte Missionssitz des Paulus, nach ihm wird nach der soweit glaubwürdigen Tradition Timotheus an der Spitze der Gemeinde gestanden haben. Jedenfalls ist Ephesus auch der Sitz des Apok. selbst, des kleinasiatischen Johannes, gewesen und steht auch aus diesem Grunde an der Spitze der sieben


  1. τω εν εκκλησια Εφεσου; AC τω αγγ. τω εν Ε. εκκλησιας (!) (g vg. Pr. angelo ecclesiae Ephesi); vgl. d. folgenden Briefeingänge. Zahn (II 611) glaubt, daß der glatte Text der gewöhnlichen Lesart nicht ursprünglich sein kann. Auch mir erscheint das unwahrscheinlich, schon wegen der fast nur in diesen Briefeingängen allein vorkommenden verschränkten Wortstellung. Aber wie lautete die ursprüngliche Lesart?
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen 1906, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S202.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)