Seite:Bousset-S207.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

innerhalb eines Gesamtüberblicks über die Sendschreiben und nach Festlegung von deren Zeit einigermaßen gelöst werden. Hier kann nur noch die Frage erhoben werden, auf die uns der Mangel aller selbständigen Tradition außerhalb der Apk führt, ob nicht „Nicolaiten“ überhaupt ein fingierter und kein historischer Name sei. — Zu erwähnen ist jedenfalls die von Chr. A. Heumann (Act. Erudit 1712. p. 179. Poecile II, 392) und J. W. Janus (de Nicol. ex haeretic. catalogo expungendis. Viteb. 1723) aufgebrachte Vermutung, daß in der Volksetymologie Νικόλαος (zusammengesetzt aus νικᾶν und λαός) = Bileam (בָּלַע עָם Volksverschlinger) sei. Aber immerhin erscheint die hier vorgeschlagene Lösung des Rätsels als gar zu künstlich[1]. Es wird dabei sein Bewenden haben, daß die Sekte der Nicolaiten sich nach einem Stifter Nicolaus nannten, über dessen Persönlichkeit wir nichts mehr wissen. — Genaueres über die in den Sendschreiben vorausgesetzte Häresieen s. in dem zusammenfassenden Exkurs zu Kap. 2 und 3.

2,7. ὁ ἔχων οὖς[2] ἀκουσάτω, τί τὸ πνεῦμα λέγει ταῖς ἐκκλησίαις[3]. Zum Schluß erfolgt in allen Briefen eine Wendung von der einzelnen Gemeinde zur gesamten Christenheit. Da das Buch als ganzes schon von vornherein zur Vorlesung im öffentlichen Gottesdienst bestimmt war, so ist eine solche Wendung an und für sich begreiflich. (Über die sich hier erhebenden kritischen Bedenken s. den Exkurs zu Kap. 1-3.) Der Geist ist der heilige Geist, der den Propheten inspiriert; die Offenbarungsrede Christi kann deshalb auch als eine Rede des Geistes bezeichnet werden. Zu τὸ πνεῦμα vgl. sämtliche Briefschlüsse, 14,13; 19,10; 22,17. Eine gewisse Schwierigkeit liegt in der Erwähnung des Geistes hier und der sieben Geister 1,4. Der Geist, der in den Propheten redet (der Geist Christi), scheint nach dem Apokalyptiker weder identisch zu sein mit den sieben Geistern, noch zu ihnen zu gehören, also noch nicht in die trinitarische Formel aufgenommen zu sein. — τῷ νικῶντι[4] δώσω αὐτῷ[5] φαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς, ὅ ἐστιν ἐν[6] τῷ παραδείσῳ τοῦ θεοῦ [μου][7]. Wer im Kampf mit allen ungöttlichen Mächten den Sieg erringt, dem will Gott vom Lebensbaum zu essen verleihen, d. h. von dem noch jetzt im Paradies (Gen 2,9) vorhandenen Lebensbaum. Zu der Vorstellung, daß Gott im Jenseits den Seligen vom Lebensbaum zu essen geben wird, vgl. 22,2; (Ez 47,12); Hen. 24-25; Testam. Levi 18 (καὶ δώσει τοῖς ἁγίοις ϕαγεῖν ἐκ τοῦ ξύλου τῆς ζωῆς). Βίος Ἀδάμ 28; IV Es 7,36; 9,19; Sib. Prooem. 86f.; III 746; II 318; Apk Bar. 29,8 u. ö. Religion des Judentums 271. Die Vorstellung beruht auf der eschatologischen Überzeugung der Wiederkehr des paradiesischen Urzustandes


  1. Erwähnt muß allerdings werden, daß die Deutung Bileam = בָּלַע עָם sich in der Tat Sanhedrin 105a (Schürer, die Prophetin Isabel in Thyatira, Theol. Abh. Weizsäcker gew. 1892, S. 44) findet.
  2. + audiendi (ακουειν) vg.cod. c Pr.
  3. ταις επτα εκκλησιαις A; ταις εκκλ. ταις επτα C.
  4. νικουντι A (2,17 AC, 15,2 C) s. Einleitung S. 163f.
  5. > ℵ An.³.
  6. εν μεσω του πραδεισου Pcc An. (genauere Bestimmung nach der alttestamentlichen Erzählung).
  7. + Q Rel. c s² g vg. sa. Cypr. Pr. Or.i; > ℵACP An.¹² s¹ a. θεος μου auch 3,2.12. θεος ημων 7,10.12; 12,10; 19,1.5.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S207.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)