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es fest, daß man in den Presbytern überirdische Geisteswesen und nicht irgendwelche irdische Repräsentanten zu sehen habe. Vor allem aber legte er Gewicht darauf[1], daß der Apokalyptiker sich die Gestalten der 24 Ältesten nicht erdacht habe, auch nicht unter Anlehnung an diese oder jene doch fernabliegende alttestamentliche Vorstellung, sondern daß er in diesem Gemälde einfach eine apokalyptische Tradition übernimmt. Da Gunkel nun auch sonst Spuren babylonischer Tradition in diesem Abschnitt zu finden meint (die vier Tiere, die sieben Fackeln etc.), so sucht er auch für dieses Bild in babylonischer Mythologie seine Erklärung. Er findet in ihm die 24 babylonischen Sterngötter des Tierkreises und zitiert für diese Anschauung Diodorus Siculus (ed. Bekker II 31): μετὰ δὲ τὸν ζῳδιακὸν κύκλον εἴκοσιν καὶ τέτταρας ἀφορίζουσιν ἀστέρας, ὧν τοὺς μὲν ἡμίσεις ἐν τοῖς βορείοις μέρεσι, τοὺς δὲ ἡμίσεις ἐν τοῖς νοτίοις τετάχθαι φασίν, καὶ τούτων τοὺς μὲν ὁρωμένους τῶν ζώντων εἶναι καταριθμοῦσι, τοὺς δὲ ἀφανεῖς τοῖς τετελευτηκόσι προσωρίσθαι νομίζουσιν, οὓς δικαστὰς τῶν ὅλων προσαγορεύουσιν[2]. Ob gerade diese von Diodor überlieferte babylonische Lehre, die bisher in den Inschriften ihre Bestätigung nicht gefunden hat, für unsre Stelle in Betracht kommt oder nicht — jedenfalls wird man vermuten dürfen, daß der apokalyptischen Anschauung eine (polytheistische) Tradition zugrunde liegt, nach welcher der Hofstaat der höchsten Gottheit aus 24 Göttern besteht. Zu erwähnen ist hier, daß die persische Religion neben den 6 (7) Ameshas-Spentas 24 Nazatas im himmlischen Götterstaat zählt. Ahura-Mazda von den 24 thronenden Nazatas umgeben wäre also ein auf persischem Religionsboden mögliches Bild[3].

Wir werden nach alledem anzunehmen haben, daß der Apokalyptiker ein uraltes traditionelles Bild einfach herübernahm. Daß er es nur noch halb verstanden hat, beweist, daß er den Ältesten zugleich priesterliche Funktionen verlieh. Man war eben von altersher in weiten Kreisen gewohnt, sich Gottes majestätische Herrlichkeit und seinen Hofstaat unter diesem Bilde vorzustellen, und darüber was die πρεσβύτεροι ursprünglich bedeuteten, hat man sicher nicht mehr nachgedacht.

4,5. καὶ ἐκ τοῦ θρόνου ἐκπορεύονται ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί. In dieser Reihenfolge auch 11,19; 16,18; 8,5 βρονταὶ καὶ φωναὶ (resp. φωναὶ καὶ βρονταί) καὶ ἀστραπαί. Vgl. Ex 19,16: ἐγίνοντο φωναὶ


  1. Der Gedanke findet sich auch schon bei Sp. 276.
  2. Diese 24 δικασταί werden bei Diodor von den zwölf Zeichen des Tierkreises bestimmt unterschieden. Sie entsprechen nach Hommel, ZDMG 45 S. 599f., wahrscheinlich den 24 Mondstationen. Zimmern, K. A. T.³ S. 633.
  3. Eine interessante Vorstellung von den 24 Ältesten findet sich in der Schrift αἱ διαταγαὶ αἱ διὰ Κλήμεντος (Lagarde, juris ecclesiastici antiquissimae Lips. 1856, 74ff.): εἴκοσι γὰρ καὶ τέσσαρές εἰσι πρεσβύτεροι, δώδεκα ἐκ δεξιῶν καὶ δώδωκα ἐξ εὐωνύμων ... οἱ μὲν γὰρ ἐκ δεξιῶν δεχόμενοι ἀπὸ τῶν ἀρχαγγέλων τὰς φιάλας προσφέρουσι τῷ δεσπότῃ, οἱ δὲ ἐξ ἀριστερῶν ἐπέχουσι τῷ πλήθει τῶν ἀγγέλων. Hier scheint noch eine gegenüber der Apk selbständige Anschauung vorzuliegen; deutlich wird es auch hier, daß die Ältesten als Engel zu denken sind, und sehr beachtenswert ist endlich ihre Einteilung in 2×12 und ihre Stellung zur Rechten und zur Linken Gottes. Die Bezeichnung von Sternengeistern mit πρεσβύτεροι, „elders“ slav. Henoch 4,1 (übers. v. Charles-Morfill), ist textlich nicht gesichert (s. die Übers. v. Bonwetsch).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S247.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)