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in seiner Nähe das Sternbild des Adlers! Vgl. H. Zimmern, die Keilinschriften u. d. A. T.³ 631f., Gunkel, z. religionsgesch. Verst. d. N. T. 44ff. So wird nun die Apk 4 zugrunde liegende Vorstellung ganz klar. Der Thron Gottes ist ursprünglich gar nichts anders als das weite Himmelsgewölbe selbst, auf dessen höchster Höhe Gottes Herrlichkeit thront[1]. Diesen Thron tragen (inmitten desselben stehend) vier wunderbare gewaltige Wesen, die mächtigen Gebilde des Stieres, Löwen, Menschen und Adlers[2]. Daher heißt dieser Thron slav. Hen 22,2 der sehr große und nicht mit Händen bereitete Thron des Herrn: „wer will aussagen seine unwandelbare Schönheit und die unaussagbare Größe seiner Herrlichkeit“ (vgl. noch Gunkel 44,5[3]). Zugleich zeigt es sich, daß der Apok. hier mit seiner Konzeption an einem Punkt dem ursprünglichen Bild noch näher steht als Ezechiel mit seinen komplizierten Tiergestalten[4]. Die Tradition vom Wagen Gottes war eben noch zu seiner Zeit eine flüssige und lebendige. Die Rabbinen, gerade des ersten und zweiten Jahrhunderts, wissen viel von geheimnisvollen Spekulationen über die Merkaba Gottes im Anschluß an Ez 1 zu erzählen (Bousset, Rel. d. Judentums 349f.). Auch außerhalb des Judentums sind späterhin noch derartige Spekulationen nachweisbar. Dio Chrysostomus weiß in seiner 36. Rede an die Borysthener von einer merkwürdigen Spekulation der Mager vom Wagen des Zeus zu berichten, in der sich orientalische Elemente mit platonisch-stoischen Elementen[5] in merkwürdiger Weise mischen (Rel. d. Judentums 491, A. 3). — Von dem ursprünglichen Sinn des Bildes wird bei alledem der Apok. nur wenig oder gar nichts mehr geahnt haben. Für ihn sind, wie der Zusammenhang deutlich zeigt, die vier Keruben nichts weiter als Engel (hervorragende Engel) neben den andern, wie denn auch sonst die Cherubim, Seraphim, Ophanim der jüdischen Überlieferung als Engelklassen neben andern gelten Hen 61,10f.; 71,6f.; slav. Hen 20,1; 21,1; 22,2.

4,9. καὶ ὅταν (jedesmal wann) δώσωσιν[6] τὰ ζῶα δόξαν (Anerkennung, Preis)καὶ τιμὴν (Ps 29,1; 96,7) καὶ εὐχαριστίαν τῷ καθημένῳ ἐπὶ τῷ θρόνῳ[7] (vgl. oben S. 165), τῷ ζῶντι, εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων (wenn ὅταν δώσουσιν gelesen wird, so macht das Futurum große


  1. Die Vorstellung tritt noch besonders deutlich Hen 14,9ff. hervor, vgl. auch Hen 18,2f., wo die vier Winde der Erde die Feste des Himmels tragen (Gunkel 46).
  2. Zimmern a. a. O. 631 hält es nicht für unwahrscheinlich, daß diese vier Tiergestalten im babylonischen ursprünglich Symbole der vier Winde gewesen seien und dann also auf die vier Quartal-Sternbilder übertragen wären.
  3. Vielleicht erklären sich von hier aus auch noch die Stimmen und Donner, die von dem Thron ausgehen. Es ist vielleicht ursprünglich dabei an die geheimnisvolle, die Bewegung des Himmels begleitende Sphärenmusik zu denken, von der man im Altertum viel redete (Gunkel 47.). Vgl. slav. Hen 15; 22,2 (die ununterbrochenen Gesänge des Cherubim). Der Apok. hätte allerdings den ursprünglichen Zusammenhang nicht mehr verstanden. Er denkt an Gewittererscheinungen.
  4. Nach Winckler, Altor. Forsch. II 347ff. wäre auch im ursprünglichen Text des Ez von vier Wesen mit je einem Gesicht die Rede gewesen.
  5. Vgl. das Bild von den vier Rossen, die Lehre von den vier Elementen und dem Untergang der Welt durch Feuer und Wasser.
  6. δωσωσιν ℵQ An.(¹)⁵ 14. 92; δωσουσιν AP An.(¹)² Q Rel. δωσιν.
  7. Nur mit ℵA s. o. S. 165.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S252.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)