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des Simon Magus) gestanden habe. Auch bleibt es unerklärbar, was bei einem jüdischen Messias der Ausdruck V. 5 ἐνίκησεν ἀνοῖξαι bedeuten soll, wenn man nicht die oben zurückgewiesene Erklärung Vischers akzeptiert. Wenn das Lamm als „gleichsam geschlachtet“ eingeführt wird, so ist das wohl kaum anders zu verstehen, als daß es mit einer offenen Wunde (wahrscheinlich, da das Lamm doch als Opfertier gedacht wird, einer Halswunde) erscheint, wenn auch die Vorstellung uns häßlich erscheinen mag. Es ist übrigens nur „gleichsam“ (s. o. zu 4,6) geschlachtet, weil es ja in Wahrheit nicht gestorben ist, sondern lebt. ἔχων[1] κέρατα ἑπτά. Das Horn ist ein Symbol der Macht und Kraft. Henoch 90,37: „Und ich sahe, daß ein weißer Farre geboren wurde, mit großen Hörnern.“ Dan 7,20ff.; 8,3. Es liegt hier wohl eine Analogiebildung zu dem Tier mit den sieben Häuptern (Kap. 13) vor. Das Lamm und der Löwe, das Lamm und die sieben Hörner — beide Male derselbe Gegensatz. καὶ ὀφθαλμοὺς ἑπτὰ, οἵ[2] εἰσιν τὰ ἑπτὰ[3] πνεύματα τοῦ θεοῦ [τὰ] ἀποστελλόμενα (ἀπεσταλμένα)[4] εἰς πᾶσαν τὴν γῆν. Eine dreifache Variante steht zur Wahl ἀποστελλόμενα, ἀπεσταλμένα, ἀπεσταλμένοι. Bei der Entscheidung fragt es sich vor allem, ob das „entsandt werden“ auf die Augen oder auf die Geister zu beziehen sei. B. Weiß entscheidet sich für ersteres — aus folgenden Gründen: 1) Die Vorstellung, daß die Augen die ausgesandten Geister darstellen, sei unvollziehbar. Doch das gilt nur gegen die Lesart ἀπεσταλμένα nicht gegen die andre ἀποστελλόμενα. 2) Im andern Falle müsse man vor dem Attribut den Artikel erwarten (τὰ ἀπεσταλμένα). Man könnte aber eventuell mit einem so alten Zeugen wie Hipp. (Min.) auch den Artikel lesen. 3) Die Parallele Sach 4,10 (ἑπτὰ οὗτοι ὀφθαλμοὶ [κυρίου] εἰσὶν οἱ ἐπιβλέποντες ἐπὶ πᾶσαν τὴν γῆν) lege die erstere Auffassung nahe. Jedoch ist beachtenswert, daß hier gerade nicht das Verbum ἐπιβλέπειν, sondern ἀποστέλλεσθαι gebraucht ist. Es scheint also doch kein Grund vorhanden zu sein, mit A allein die Lesart ἀπεσταλμένοι zu akzeptieren. Dann aber ist auch vielleicht nicht ἀπεσταλμένα, sondern ἀποστελλόμενα zu lesen (welche die sieben Geister sind, die ausgesandt werden über die ganze Erde). Es liegt die Vorstellung vor, daß die Geister, die ständig ausgesandt werden in alle Welt, im Bilde den sieben Augen gleichen, mit denen das Lamm alles sieht, ein herrliches Bild. Wie Jahwe bei Sarcharja 4,10 mit den sieben Augen über die ganze Welt schaut, so hat hier das Lamm die sieben Augen, ist also als Besitzer, Herr der sieben Geister gedacht. Daß das Lamm hier direkt das Attribut Gottes bei Sacharja erhält, ist charakteristisch für die Christologie der Apk. Die zu Grunde liegende mythologische Vorstellung schimmert hier und in der Sacharjastelle noch deutlich hindurch. Daß die Gestirne als die Augen


  1. A Q Min.; die übr. εχων.
  2. A An.¹ al. s. o. S. 165.
  3. > A An.¹ am. fu. harl. ae. Tic. (Vgl. 1,13; 6,1; 16,1).
  4. απεσταλμενα ℵ 38. 49. (τα απ. An.¹² Hipp.cod.); απεσταλμενοι A; αποστελλομενα Q Rel. (τα απ. An.⁵ al s¹); Lat. missi.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S258.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)