Seite:Bousset-S265.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

letzten Rosse bei dem Apokalyptiker bringen. Der μάχαιρα entspricht die rote Farbe, dem λίμος die schwarze, für das Roß des Todes wurde die Leichenfarbe (χλωρός) an Stelle der bunten Farbe (ποικίλος – ψαρός) gewählt[1]. Bei dieser Deutung und Kombination blieb das weiße Roß übrig. In der Apk steht dieses als erstes am Anfang, was bei der Aufzählung des Sacharja sonst nirgends der Fall ist. Beide Tatsachen, die Voranstellung des weißen Rosses, und die andre, daß sich die Deutung dieses Rosses zunächst nicht aus stereotyp gewordenen, sonst nachweisbaren eschatologischen Vorstellungen erklären läßt, deuten nun darauf hin, daß gerade an diesem Punkt der Apokalyptiker eine eigne Idee, eine originelle Wendung seiner Weissagung bringt. Wir werden also gerade hier nach Anknüpfungspunkten in der Zeitgeschichte des Apokalyptikers suchen. So sehr man bei den folgenden Siegeln Gunkel (Schöpfung und Chaos 226) darin Recht geben wird, daß es bei dem vorliegenden Tatbestand das denkbar Verkehrteste sei, im ganzen ersten Jahrhundert nach Kriegen, Hungersnöten, Pestilenzen zu suchen, so unterliegt das erste Siegel einer andern Beurteilung, d. h. hier scheint der Versuch einer zeitgeschichtlichen Deutung der zunächst gewiesene Weg zu sein. Abzuweisen ist daher auch die rein symbolisierende Deutung des ersten Rosses, nach welcher hier einfach die Personifikation des Krieges oder Sieges gefunden wird. Man darf eben das erste Siegel nicht analog den andern erklären.

Die nähere Charakteristik des ersten Rosses lautet nun: καὶ ὁ καθήμενος ἐπ’ αὐτὸν (s. o. S. 165) ἔχων τόξον, καὶ ἐδόθη αὐτῷ στέφανος, καὶ ἐξῆλθεν νικῶν „καὶ ἵνα νικήσῃ“[2]. Verfehlt ist jedenfalls die Identifikation dieses Reiters auf weißem Rosse mit dem Reiter 19,11ff. und die Deutung desselben auf den wiederkehrenden Christus (Dstd.; neuerdings noch von B. Weiß Einl. 394 vertreten; Hilgf., Z.w.Th. 1890 425 deutet auf den Triumph der messianischen Sache). Denn bei dieser Auffassung zerstört man die Harmonie des apokalyptischen Bildes. Christus kann wohl nach einander als Menschensohn und als Lamm in derselben Apk auftreten, aber er kann nicht zugleich das Lamm sein, das die Siegel des Buches öffnet, und der Reiter, der aus dem Buch hervorgeht. Auch ist es merkwürdig, daß dann die Erscheinung Christi vor der der drei andern Reiter stattfindet, d. h. daß der Messias vor den messianischen Wehen kommt. Die wesentliche Einheit der Apk vorausgesetzt ist es endlich merkwürdig, daß Christus, der erst 19,11ff. vom Himmel herabkommt, bereits hier erscheint. Jedenfalls hat der Apokalyptiker letzter Hand, wenn wir von der Quellenfrage einmal ganz absehen,


  1. Bei dieser Ableitung der Vorstellungen der Apk ist allerdings nicht alles erklärt. Bei Sacharja erscheinen Rosseherden von vierfach verschiedener Farbe, hier einzelne Rosse. Ebenso sind die Reiter auf den Rossen hier etwas Neues. Infolgedessen sind die einzelnen Figuren hier ungleich konkreter. Gunkel, zum religionsgesch. Verst. d. N. T. 53f., denkt bei den vier Reitern an die vier Weltheroen, Weltgötter, die über je eine der vier (bekannten) Weltperioden gebieten und sie heraufführen. Es wäre möglich, daß der Apok. in 6,1-8 eine ältere Weissagung von den vier Weltaltern herübergenommen hätte. Doch wäre dann bei ihm der ursprüngliche Sinn der Weissagung gänzlich verwischt.
  2. sa. και ενικησεν; 32. 36 Pr. ινα νικηση και ενικησεν.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S265.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)