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hier nicht den Messias gesehen. — Da eine zeitgeschichtliche Deutung nach der vorhergegangenen Überlegung geboten erscheint, so bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten der Deutung dieses als Sieger und Triumphator geschilderten Reiters, nämlich entweder die Deutung auf das Römerreich (Vlt., Sp. 290 unter Beziehung auf Vergil. Aen. III 537ff.; dagegen Sp. Schmidt 11; Hirscht 52) oder die auf das Partherreich (Vitringa, Vlt. IV (1904), 16f. Schmidt 11, Hltzm., Erbes 38f.). Wenn man, was zunächst geboten ist, den Zukunftscharakter der Weissagung zu wahren sucht, so liegt die Beziehung auf das Partherreich näher. Auf das Römerreich bezogen, wäre die Weissagung völlig ein vaticinium ex eventu. Der Apokalyptiker aber weissagt wirklich von einer zukünftigen sieghaften Ausdehnung des Partherreiches und sah in dieser noch zu erwartenden Tatsache das erste Vorzeichen vom Ende. Nicht richtig wäre es nun freilich, wieder auf irgend einen bestimmten geschichtlichen Vorgang (z. B. den Sieg des Königs Vologäses über die Römer in den Tigrispässen a. 62, Erbes 38f., Hltzm.) zu raten, der in diesem Bilde symbolisiert wäre. Vielmehr werden wir urteilen, daß die historische Situation, aus der heraus die Erwartung eines mächtigen Anschwellens der Parthermacht — namentlich für einen Orientalen — psychologisch verständlich wird, fast im ganzen Verlauf der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts und weit darüber hinaus gegeben ist. Die Beziehung auf die Reiterheere der Parther legen übrigens auch die beiden Symbole: das Roß und den Bogen nahe, während man nicht sagen kann, weshalb gerade der Bogen bei einer Symbolisierung des römischen Reiches verwandt wäre. „Und er zog aus siegend und um zu siegen“ heißt es am Schluß von dem Reiter. Mit besondrer Energie ist durch den doppelten Ausdruck das Sieghafte und Unwiderstehliche in der ganzen Erscheinung geschildert. Man beachte wie hier, wo der Apokalyptiker, wie es scheint, aus freier Hand schildert, sofort sein Lieblingsausdruck, das johanneische νικᾶν, sich findet[1].

6,3-4. Zweites Siegel. 6,3. καὶ ὅτε ἤνοιξεν τὴν σφραγῖδα τὴν δευτέραν[2], ἤκουσα τοῦ δευτέρου ζῴου λέγοντος· ἔρχου[3]. 6,4. καὶ ἐξῆλθεν ἄλλος ἵππος πυρρὸς (πυρὸς)[4], καὶ τῷ καθημένῳ ἐπ’ αὐτὸν[5] ἐδόθη αὐτῷ[6] (2,7.17 s. o. S. 160) λαβεῖν τὴν εἰρήνην ἐκ[7] τῆς γῆς[8] καὶ ἵνα ἀλλήλους σφάξουσιν[9]). καὶ ἐδόθη αὐτῷ μάχαιρα


  1. Bei dieser Deutung bleibt es unbenommen, mit Gunkel (zum religionsgesch. Verst. d. N. T. 53,6) anzunehmen, daß in dem Reiter auf weißem Roß ursprünglich die Gestalt eines Sonnengottes gezeichnet sei. Weißes Roß, Bogen, Kranz (Strahlenkranz) sind allerdings nachweisbar in orientalischer Vorstellung Symbole des Sonnengottes (s. die Nachweise bei Gunkel). Aber der Apok. ahnt sicher nichts mehr von diesen Zusammenhängen.
  2. ACP An.¹⁴ g vg. c Vict. Pr.; Q Rel. ae την δευτεραν σφραγιδα (im folgenden την σφραγιδα την τριτην etc. sicher bezeugt).
  3. + και ιδε g cle. dem tol. harl. lips. c a(?) ae. Vict. Tic. Pr.; + και ιδε και ειδον και ιδου ℵ An.³ (vgl. V. 2).
  4. C Min. g vg. (rufus) a s¹² ae. Vict. Tic. Pr.; die übr. πυρος.
  5. αυτω An.¹.
  6. > ℵcA Tic.
  7. > A An.⁵; απο An.¹.
  8. ACP An.¹⁵ g vg. s² Tic. Pr.; die übr. > και.
  9. AC 36; alle übr. ωσιν.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S266.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)