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Ferner Na 1,6: ἀπὸ προσώπου ὀργῆς αὐτοῦ τίς ὑποστήσεται καὶ τίς ἀντιστήσεται ἐν ὀργῇ θυμοῦ αὐτοῦ; Mal 3,2. Die Könige und Gewaltigen auf Erden empfinden das Erdbeben als ein Zeichen des nahenden Gerichtes.

Bei der Beurteilung des sechsten Siegels wird man davon ausgehen müssen, daß der Apokalyptiker in der ganzen Schilderung kaum einen originalen Zug bringt, daß er vielmehr alles entlehnt und übernimmt. Man wird ihn daher von vornherein bei der Deutung der einzelnen Züge nicht zu genau beim Wort nehmen dürfen, er gab eben stereotyp gewordene Schilderungen wieder. — Zweitens aber wird man daran festhalten müssen, daß der Apok. ein mächtiges und in seiner Furchtbarkeit ungewöhnliches Erdbeben schildern will, aber doch nicht mehr als dieses. Er hat sich freilich in der Auswahl der Züge, mit denen er schildert, etwas vergriffen und verwendet eine Reihe von Zügen, die sonst bei der Schilderung des letzten großen Gerichtstages verwandt zu werden pflegen. Aber er wollte doch nur ein ungeheures Erdbeben zeichnen; man darf daher das Fallen der Sterne vom Himmel und das Entweichen aller Berge und Inseln nicht so wörtlich nehmen. Man setzt sonst den Apok. mit sich selbst in Widerspruch. Wenn die Sterne vom Himmel gefallen, und die Berge alle gewichen sind, wenn der Himmel aufgerollt ist, dann können sich auch die Könige nicht mehr in die Höhlen und Felslöcher verkriechen. Auch ist der Eindruck, den die Könige und Gewaltigen durch das Schreckwunder des Erdbebens erhalten, doch kein andrer, als daß der Gerichtstag nahe herbeigekommen sei. Denn der Ausruf: „Gekommen ist der große Tag“, ist doch im Sinne der erschreckten Gewaltigen zu verstehen und nicht im Sinne des Apok. Wenn man diesen übertriebenen Charakter der Schilderung des sechsten Siegels verkennt[1], dann erscheint allerdings der unten zu besprechende Vorschlag Sp.s in Kap. 6,12ff. das Ende einer kleinen Apk zu sehen (gegen Sp. vgl. vor allem Erbes) annehmbar. Jedenfalls ist aber das, was in Kap. 6,12ff. geschildert wird, ein apokalyptisches Erdbeben, das noch in der Zukunft liegt. Man darf also auch hier nicht auf die Suche nach Erdbeben im ersten christlichen Jahrhundert gehen. Auch deutet kein originaler Zug in der Schilderung darauf hin, daß hier Anspielungen auf zeitgeschichtliche Vorgänge vorlägen.

Exkurs zu Kap. 4-6.

1. Am einschneidendsten ist hier die Kritik von Spitta. Nach Sp. soll mit Kap. 6 — abgesehen von einer kleinen Fortsetzung in Kap. 7 und 19 — die christliche Urapokalypse (U) zu Ende gehen. Sp.s Gründe dafür sind im wesentlichen 1) daß mit 6,12ff. in der Tat ein apokalyptisches Ende gegeben


  1. Vgl. Holtzmann: Zweifelsohne ist man mit ἦλθεν ἡ ἡμέρα 6,17 am letzten Ende bereits angekommen (?).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S276.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)