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nicht etwa der Inhalt des siebenten Siegels, sondern wie die meisten Ausleger richtig erkannt haben, ist dieser Inhalt in dem Ganzen, das nun folgt, enthalten, also zunächst in der Enthüllung der sieben Posaunen. Auch von den Kritikern, die die Siegel- und Posaunen-Visionen auf verschiedene Quellen verteilen, wird das zugestanden werden, daß nach der Absicht des Redaktors die sieben Posaunen aus dem siebenten Siegel hervorgehen sollen. Zu verwerfen ist jedenfalls an dieser Stelle die Rekapitulationstheorie, derzufolge das Schweigen des siebenten Siegels den Weltuntergang bedeutet oder gar das tausendjährige Reich (Vict.), und dann mit der ersten Posaune die Weissagung von neuem beginnt. Sp. muß seiner Quellentheorie zufolge den Vers vor 7,9ff. stellen.

III. Die Sieben-Posaunen-Vision. Kap 8,2-11,19.
A. Die ersten sechs Posaunen. Kap. 8-9.

8,2-6. Die Vorbereitung.

8,2. καὶ εἶδον τοὺς ἑπτὰ ἀγγέλους, οἳ ἐνώπιον τοῦ θεοῦ ἑστήκασιν. Nicht sieben beliebige Engel sind gemeint, sondern wie der Artikel zeigt, die sieben bekannten Engel. Die Vorstellung von sieben höchsten Engeln findet sich bereits Tobit 12,15: ἐγώ εἰμι Ῥαφαὴλ, εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἁγίων ἀγγέλων, οἳ προσαναφέρουσιν τὰς προσευχὰς τῶν ἁγίων καὶ εἰσπορεύονται ἐνώπιον τῆς δόξης τοῦ ἁγίου. (Vgl. Lk 1,19 ἐγώ εἰμι Γαβριὴλ ὁ παρεστηκὼς ἐνώπιον τοῦ θεοῦ[1].) Die Namen der sieben Engel werden Hen 20 im griechischen Text aufgezählt. (Der äthiopische Text zählt nur sechs.)[2] Auch im Pastor Hermae ist die jüdische Lehre von den sieben Erzengeln einfach herüber genommen, wenn Christus, der hier etwa an Stelle Michaels tritt, so häufig umgeben von sechs Engeln (Jünglingen) erscheint. Visio III 4 οὗτοί εἰσιν οἱ ἅγιοι ἄγγελοι τοῦ θεοῦ οἱ πρῶτοι κτισθέντες, οἷς παρέδωκεν ὁ κύριος πᾶσαν τὴν κτίσιν αὐτοῦ. Similitudo IX 3. 12 u. ö. (Vgl. Clemens Alexandrinus, Stromat. VI 16, Potter 812: ἑπτὰ μέν εἰσιν οἱ τὴν μεγίστην δύναμιν ἔχοντες πρωτόγονοι ἀγγέλων ἄρχοντες). — Es ist nun im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die jüdische Sieben-Erzengellehre aus einer polytheistischen Religion stamme, in der man sieben höchste Gottheiten verehrte. In der spätbabylonischen Religion aber


  1. Vgl. Hen 90,21f.; 81,5; 87 (Ausg. v. Flemming 109); (71,3); Test. Levi Kap. 8.
  2. Sechs höchste Engel auch im Targum Ps-Jonathan zu Dt 34,6 und Pirke des R. Eliezer Kap. 4. — Die Namen der Engel werden in der jüdischen Überlieferung sehr verschieden angegeben: Gfrörer I 361f. Weber I 169. Lueken, Michael 36f. Einigermaßen fest stehen nur vier von ihnen: Michael, Gabriel, Raphael, Uriel (an seiner Stelle bereits Hen 40 Phanuel). Die Lehre von vier höchsten Engeln scheint im Judentum älter zu sein als die Annahme von sieben Erzengeln.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S291.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)