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λιβανωτός bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch den Weihrauch. Hier aber an dieser Stelle kann mit λιβανωτός gar nichts anders als die Räucherpfanne gemeint sein, die dazu bestimmt war, die zum Räuchern notwendigen Kohlen vom Brandopferaltar zum Rauchopferaltar zu bringen (Sp.). Die sonst beliebte Erklärung „Räucherbüchse“ scheitert an V. 5[1]. Die zum Räuchern gebrauchte Kohlenpfanne scheint also den Namen λιβανωτός gehabt zu haben. Dieselbe heißt sonst in der LXX πυρεῖον (הַמַּחְתֺּה) Ex 27,3; 38,3. Sie ist allerdings nach Ex 38,3 von Kupfer, aber I Kön 7,50 kommt auch eine goldne Pfanne vor. καὶ ἐδόθη (beachte den Singular!) αὐτῷ θυμιάματα πολλά. Das Opfer vollzieht sich hier nicht nach Analogie des gewöhnlichen alttestamentlichen Kultus, da hier von derselben Person, welche die Kohlen geholt hat, auch das Rauchopfer dargebracht wird, so daß dies Opfer in Analogie mit dem des großen Versöhnungstages tritt (Sp. 325); vgl. Lev 16,12: καὶ λήμψεται (sc. Aaron) τὸ πυρεῖον πλῆρες ἀνθράκων πυρὸς ἀπὸ τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ ἀπέναντι κυρίου καὶ πλήσει τὰς χεῖρας θυμιάματος – καὶ εἰσοίσει ἐσώτερον τοῦ καταπετάσματος. Num 16,46: λαβὲ τὸ πυρεῖον καὶ ἐπίθες ἐπ’ αὐτὸ πῦρ ἀπὸ τοῦ θυσιαστηρίου (Lev 10,1). Von einem Eingang ins Allerheiligste ist hier allerdings nicht die Rede. ἵνα δώσῃ[2] ταῖς προσευχαῖς τῶν ἁγίων πάντων ἐπὶ τὸ θυσιαστήριον τὸ χρυσοῦν τὸ ἐνώπιον τοῦ θρόνου. Tob 12,12: ἐγὼ προσήγαγον τὸ μνημόσυνον τῆς προσευχῆς ὑμῶν ἐνώπιον τοῦ ἁγίου (Hen 9,2ff.; 15,2; 40,6; 47,1f.; 104,1; vgl. schon Sach 1,12). In dem ταῖς προσευχαῖς liegt ein gut griechischer Dativ der Beziehung vor. Die Heiligen, deren Gebete[3] durch das Opfer des Engels unterstützt werden sollen, sind, weil „πάντες“ dabeisteht, die Gläubigen überhaupt, nicht die Märtyrer von 6,9ff. allein. Diese Unterstützung der Gebete der Gläubigen widerspricht der Versiegelung in 7,4ff. nicht, denn hier handelt es sich nicht um die Bewahrung der Gläubigen vor den Plagen, sondern um die baldige Herbeiführung des Endes und der Strafen für die ungläubige Welt (vgl. V. 5). Mit dem goldenen Altar, der vor Gott steht, ist der Rauchopferaltar gemeint, der Num 4,11 der goldne Altar genannt wird. Der Ausdruck soll der alttestamentlichen Ausdruckweise הַמִּזְבֵּחַ מִלִּפְנֵי יְהֹוָה (Lev 16,12; 4,7.18. I Kön 9,25; Ez 41,22) entsprechen. Weil der Apok. aber vorher in der großen Szene von Kap. 4 den Thron Gottes mit seiner Umgebung gezeichnet hat, so sagt er in der Erinnerung daran ἐνώπιον τοῦ θρόνου, ohne zu überlegen, daß er bei einer solchen Verbindung der beiden Szenerien einen unvorstellbaren Widerspruch hervorbringt. 9,13 steht dagegen τοῦ θυσιαστηρίου τοῦ χρυσοῦ τοῦ ἐνώπιον τοῦ θεοῦ und gleich in dem hier folgenden Vers (8,4) τοῦ ἀγγέλου ἐνώπιον τοῦ θεοῦ.


  1. Anders urteilt Hirscht 69, der aber den Hauptpunkt übersieht, daß nämlich in die Räucherbüchse doch keine Kohlen hineingetan werden können. Wenn H. behauptet, daß der λιβανωτός zunächst zur Aufnahme der θυμιάματα bestimmt sei, so steht das V. 5 eben einfach nicht da.
  2. Dieser spätere Konj. Aor. ist mit PQ Rel. zu halten, δωσει lesen ℵAC An.¹²⁴ 95.
  3. 5,8 ist die Vorstellung anders, dort sind die Gebete das aufsteigende Rauchwerk selbst. Doch ist das kein Grund, hier oder dort zu streichen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S293.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)