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wie sie gelöst werden, sagt der Engel nicht. Es ist dann fraglich, ob der folgende Finalsatz von ἐλύθησαν oder von ἡτοιμασμένοι abhängt. Doch ist das letztere das Näherliegende, auch 8,6 wird ἑτοιμάζω mit ἵνα konstruiert (Dstd.).

Diese kleine Episode ist ungemein dunkel und hat die verschiedensten Erklärungsversuche herausgefordert. Bedenken erregten vor allem, daß die Engel eigentlich mit den nun im folgenden geschilderten Reiterscharen herzlich wenig zu tun haben. Iselin, Theol. Zeitschr. aus der Schweiz 1887, I 64, machte deshalb auf eine merkwürdige Parallele in der von Baethgen aus der syrischen Handschrift Sachau N. 131. Z.A.T.W. 1886, 193ff. veröffentlichten syrischen Esraapok. Kap. 6 aufmerksam. „Und eine Stimme wurde gehört: gelöst werden sollen diese vier Könige, welche gefesselt sind am großen Fluß Euphrat, die ein Drittel der Menschen vernichten werden. Und sie wurden gelöst, und es war ein großes Toben“. Daraus schloß Iselin, daß in einem anzunehmenden hebräischen Original der Apk מְלָכׅים, gestanden habe, während der griechische Übersetzer מַלְאָכׅים gelesen habe (vgl. LXX II Sam 11,1; I Chron 20,1). Doch ist schon die Annahme eines hebräischen Originals der Apk bei unsrer Gesamtauffassung derselben eine höchst prekäre (gegen Iselin vgl. Sp. 98). Sp. 99 vermutet, daß hier statt ἀγγέλοις: ἀγέλαις zu lesen sei (vgl. die von ἀγέλη abgeleiteten Wendungen II Makk 3,18; 14,14.23). Aber es gibt doch keinen rechten Sinn, wenn hier von ungeheuren gefesselten Scharen die Rede ist. Sp. verbindet dann noch mit dieser Hypothese eine andre. Auch das ἡτοιμασμένοι — ἐνιαυτόν sei vom Redaktor erst eingetragen, und es sei von diesem nicht gemeint, daß die Engel auf Zeit und Stunde bereitet wären, denn dagegen spreche das Voranstehen des kleineren Zeitteils ὥρα (warum?)[1]. Vielmehr sei ἡτοιμασμένοι mit „bestimmt“ zu übersetzen, die Engel seien Zeitenengel und das Lösen der Engel bedeute das Aufhören der Zeit, darauf weise 10,6f. χρόνος οὐκέτι ἔσται hin (s. dagegen den Kommentar zu dieser Stelle). Diese letzten Kombinationen Sp.s sind sämtlich grundlos, Sp. legt selbst auf sie keinen großen Wert (103).

Doch liegt diesen Versuchen von Iselin und Sp. etwas Berechtigtes zugrunde. Eine gewisse Inkongruenz zwischen V. 13 und 14 und dem Folgenden liegt vor, und die abrupte Art der Schilderung fällt hier wie z. B. 7,1ff. auf. Zwei Beobachtungen drängen sich außerdem auf. Einmal ist schon oben bemerkt, daß der Apok. durch den bestimmten Artikel die vier Engel als bekannt voraussetzt, und ferner liegt doch offenbar eine Parallele mit 7,1ff. vor, wenn auch die vier Engel hier und dort im Sinne des Apok. nicht identisch sind. Das drängt uns zur folgenden Annahme. Den Ausführungen Apk 9,13f. wird jedenfalls eine ältere Tradition zugrunde gelegen haben, in der von den vier verderblichen (Wind-)Engeln die Rede war, die in der letzten Zeit über die Erde losbrechen würden. Diese Tradition liegt in ihrer ursprünglichen Gestalt 7,1ff. (s. dort die übrigen Parallelen) ja bereits im Sacharja vor. 9,13f. ist eine spätere Variante derselben. Die Variation dieser


  1. Slav. Henoch 33,2 und 65,7 ist die Idee von dem Aufhören der Zeit ausgesprochen, dort stehen gerade die Jahre voran.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S303.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)