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11,2. καὶ τὴν αὐλὴν τὴν ἔξωθεν[1] τοῦ ναοῦ ἔκβαλε ἔξωθεν[2] καὶ μὴ αὐτὴν μετρήσῃς. Es ist zu übersetzen „der äußere Vorhof des Tempels“, nicht unter Berufung auf 14,20 „der Vorhof außerhalb des Tempels“. Nur so kommt der Gegensatz zu V. 1 rein heraus. ἡ αὐλὴ ἡ ἔξωθεν ist also der äußere Vorhof (= ἡ αὐλὴ ἐξωτέρα Ez 10,5) im Gegensatz zu dem inneren Vorhof mit dem θυσιαστήριον. Ausdrücklich wird nun hier erklärt, daß das Nichtmessen des äußeren Vorhofs ein Hinauswerfen desselben bedeute. Und damit ist ganz klar ausgesprochen, daß durch das Messen des Tempels und des inneren Vorhofs deren Erhaltung in der drohenden allgemeinen Zerstörung angedeutet ist. Denn jedenfalls haben Tempel und äußerer Vorhof ein diametral entgegengesetztes Geschick. Anzunehmen aber, daß der Tempel zerstört und der äußere Vorhof nach der Meinung des Sehers erhalten bleiben soll, ist sinnlos. Übrigens liegt schon in dem ἐκβάλλειν der Sinn des Hinaustuns zur Vernichtung. ὅτι ἐδόθη τοῖς ἔθνεσιν. „Denn gegeben wurde er (nämlich der äußere Vorhof) den Heiden“, oder „es (vgl. das Folgende) wurde den Heiden gegeben“. Die letzte Auffassung ist wohl vorzuziehen. Den Heiden wird ja tatsächlich die Vernichtung der ganzen Stadt gegeben, zu welcher nach der Erklärung des Apok. (ἔκβαλε ἔξωθεν) auch der äußere Vorhof gehört. Vgl. auch die Wendung V. 3 καὶ δώσω — καὶ προφητεύσουσιν. Die Begründung, die mit ὅτι eingeleitet ist, umfaßt also dann die beiden folgenden Satzglieder. καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν (21,2.10; 22,19; Mt 27,53) πατήσουσιν μῆνας τεσσεράκοντα καὶ[3] δύο. Die 42 Monate sind die 3½ Zeiten (Jahre) oder 1260 Tage: Da 7,25; 12,7. Zum Terminus πατεῖν vgl. Ps. Sal. 2,19; 7,2; 17,22. Eine direkte Parallele liegt Lk 21,24 vor: καὶ Ἰερουσαλὴμ ἔσται πατουμένη ὑπὸ ἐθνῶν, ἄχρις οὗ πληρωθῶσιν καιροὶ ἐθνῶν. Aus dem Futurum πατήσουσιν geht übrigens hervor, daß bei dem ἐδόθη nur an ein Geben der göttlichen Absicht, dem göttlichen Plane nach zu denken ist, aber noch nicht an ein schon tatsächlich vollzogenes. Die Erklärung dieses rätselhaften Fragmentes kann erst mit der des folgenden Abschnittes gegeben werden.

11,3. καὶ δώσω τοῖς δυσὶν μάρτυσίν μου, καὶ προφητεύσουσιν (hebraistische Auflösung der Inf.-Konstruktion s. o. V. 2) ἡμέρας χιλίας διακοσίας ἑξήκοντα περιβεβλημένοι[4] σάκκους. Der Seher sieht zwei Zeugen, die im Bußsack d. h. als Bußprediger auftreten. Der Ursprung dieser apokalyptischen Erwartung liegt bis jetzt noch völlig im Dunkeln, und damit ist auch die Beantwortung der Frage, wer die Zeugen seien, sehr erschwert. Im Judentum war ursprünglich nur die Erwartung eines Zeugen, nämlich des Elias lebendig. Diese Erwartung (vgl. Bousset, Rel. d. Judent. 219) knüpft an die Weissagung Mal 3,1.3.23f. an und findet


  1. εσωθεν ℵ An.¹⁴ s¹ Vict.; Korrektur infolge eines alten Mißverständnisses der Stelle.
  2. cA (P εσωθεν) An.¹²⁴; d. übr. εξω.
  3. > και ℵP An.⁴ al. g cle. am. dem. Pr.
  4. περιβεβλημενους ℵAPQ An.² al. (Hipp.e.r - οις), ein sehr alter Schreibfehler, den sämtliche Majuskeln teilen, während Hipp. mit den Minuskeln geht.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S317.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)