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V. 17 dem Apok. letzter Hand zuzuweisen. Wenn im Sinne des Verfassers von Apk 12 das verfolgte Weib bereits eine symbolische Beziehung zur Gemeinde der Gläubigen haben muß, also hier von der Idee der Messiasmutter bereits ganz abgesehen ist, dann kann die Erwähnung der „übrigen ihres Samens“ nur vorwärtsschauende Beziehung zu Kap. 13 haben, so daß hier der vorher bei der Flucht des Weibes gemeinten judenchristlichen Kirche die heidenchristliche Gemeinde der Gläubigen gegenübergestellt werden soll. Das heißt, wir haben in V. 17 wie in V. 18 eine Klammer von der Hand des letzten Apok., durch welche dieser die Kap. 12 und 13 mit einander verbindet. Endlich werden wir vielleicht noch an einer dritten Stelle das Eingreifen des Apokalyptikers letzter Hand konstatieren können. Die sieben Diademe auf den sieben Häuptern des Drachen hängen aufs engste zusammen mit den zehn Diademen auf den zehn Hörnern des Tieres in Kap. 13. Nun haben sie dort ihren guten Sinn; weshalb aber der Teufel in der vorliegenden Weissagung Diademe trägt, ist nicht einzusehen. Wir haben hier wieder eine Klammer, durch welche der Apok. letzter Hand Kap. 12 und Kap. 13 verbindet. — Immerhin gestehe ich zu, daß die Gründe für die Annahme eines in Kap. 12 vorliegenden Quellenstückes nicht vollständig durchschlagend sind. Es bleibt die Möglichkeit, daß der Apok. selbst Kap. 12 in Anlehnung an ältere Traditionen entworfen haben könnte.

Nach alledem können wir ein endgültiges Urteil über die Komposition und die Stellung von Kap. 12 im Ganzen unserer Apk gewinnen. Es behalten, wie es scheint, diejenigen unter den Kritikern recht, welche Apk 12 als ein für sich bestehendes Fragment auffassen (Weizsäcker, Sabat., Schön, Pfleiderer, auch Gunkel und Wellhausen). Aber dieses für sich stehende Fragment ist nicht, wie viele von den Kritikern meinen, jüdischen, sondern christlichen Ursprungs. Als ein Fragment jüdischer Apokalyptik wäre es ganz unverständlich. Vielmehr hat ein Christ in diesem Kapitel einen heidnischen Mythus von der Geburt, der Verfolgung und dem Siege des jungen Sonnengottes auf seinen Herrn Jesus umgedeutet. Es liegt hier ein bemerkenswerter Übergang einer Idee aus einer Religion in die andre vor. Mit großer Kühnheit ist jene Umdeutung vollzogen. Ein uralter heidnischer Sang von dem Sieg des Lichtes über die Finsternis und des Todes über das Leben ist umgedichtet zu einem christlich-messianischen Triumphlied, so wild, grotesk und grell in den Farben wie kaum ein zweites wieder angestimmt ist. Hineinverwoben ist ein zweiter Mythus vom Sturm des Drachen auf den Himmel und seinem Sturz. Unser Apok. letzter Hand hat dieses Stück aufgegriffen und hat es außerordentlich geschickt in das Ganze seiner Weissagung verwoben. Er hat auf der Höhe seiner Weissagungen sich ein grandioses Prooemium geschaffen zu dem zentralen Stück seines ganzen Werkes, der Weissagung von dem Kampf mit dem Tier, das Anbetung verlangt (Kap. 13). Er hat aber nur ein Fragment jenes Stückes gebrauchen können. Die Schilderung vom endgültigen Siege des Sonnenkindes hat er abgebrochen, weil er diese hier nicht gebrauchen konnte, und nachher nicht wieder aufgenommen. Von Eigenem hat er nur Weniges hinzugetan. Er hat einige Klammern angebracht und in V. (10b) 11 läßt er energisch den

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S357.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)