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Verses eigentlich wesentlich mit dem Erraten der Bedeutung der geheimnisvollen Zahl beschäftigt hat, hat sich neuerdings infolge einer Reihe von Artikeln[1] die Aufmerksamkeit mehr auf die Vorfrage gelenkt, nämlich auf die nach der Form des vorliegenden Rätsels überhaupt. Die ältere Durchschnittsauffassung, die auch in der vorigen Auflage vertreten wurde und die den meisten bisherigen Deutungen einfach zu Grunde gelegt wurde, ist etwa folgende: Was hier vorliegt, wird aufgefaßt als ein in der rabbinischen Terminologie sogenanntes gematrisches Rätsel[2]. Der gematrischen Anschauung zufolge steckt in jedem Namen und jedem Wort eine Zahl, die man gewinnt, wenn man den Zahlenwert der Buchstaben des betreffenden Wortes, sei es in griechischer oder hebräischer Schrift zusammenrechnet. Umgekehrt kann dann auch der betreffende Zahlenwert für das Wort eingesetzt werden und die gematrische Kunst besteht dann etwa darin, daß man aus dem Zahlenwert, der ja unendlicher Deutungen fähig ist, das rechte Wort herausrechnet. Das würde in diesem Falle der Apok. mit ψηφίζειν τὸν ἀριθμὸν τοῦ θηρίου „die Zahl des Tieres berechnen“, meinen. Man solle aus der mitgeteilten Zahl 666 einen Namen gewinnen, der eben der Name des Tieres sei. Da der Apok. eine bei seinen Lesern bekannte Kunst voraussetzte, so konnte er annehmen, daß er mit dieser kurzen Andeutung verstanden wurde. Dabei blieb die Bedeutung der Zwischenbemerkung ἀριθμὸς γὰρ ἀνθρώπου ἐστίν noch umstritten. Manche Forscher (Dstd., Hltzm., Weyl., Gunkel, Clemen) erklärten unter Verweis auf 21,17 μέτρον ἀνθρώπου ὅ ἐστιν ἀγγέλου, der Apok. wolle hier sagen, die Zahl sei wirklich eine menschliche, menschlich berechenbare, keine supranaturale. Aber während die Bemerkung 21,17 im Zusammenhang ihren Zweck hat, so kann man sich nicht verhehlen, daß diese Betonung der menschlichen Natürlichkeit der Zahl hier vollkommen zweck- und sinnlos dastehen würde. Daher erklärte ich mich in der ersten Auflage entschieden für die andre Alternative der Auffassung: der Apok. sage hier, es sei möglich, die Zahl des Tieres zu berechnen, denn es sei zugleich die Zahl eines (den Lesern bekannten) Menschen[3]. Das sei aber so zu verstehen, daß das Tier und der betreffende Mensch für den Apok. überhaupt zum Teil wenigstens identische Größen seien. Dafür, daß diese teilweise


  1. Vgl. die Artikel, die sämtlich in Z. n. W. erschienen von C. Clemen II 109-114; P. Corßen III 238-242; E. Vischer IV 167-174; P. Corßen IV 264-267; E. Vischer V 84-86; P. Corßen V 86-88; C. Bruston V 258—260; ferner J. Weiß a. a. O. 21,1.
  2. Über die rabbinische Kunst der Gematria vgl. Weber, jüdische Theologie² 121; Aberle, theol. Quartalschrift 1872-74; Beispiel eines verwandten gematrischen Rätsels Sib. I 324ff.: 888 = Ιησους (vgl. auch eine etwas andre Form gematrischer Rechnung Sib. VIII 148ff. und etwa die Berechnung des Zahlenwertes von περιστερά auf 901 = ΩΑ bei den Markosiern, Irenäus I 14,6; in diesem Abschnitt noch andre Beispiele). Parallelen aus der griechischen Kulturwelt (vgl. Sogliano, Rendiconti dell’ Accademia dei Lincei. Ser. V. Vol. X fasc. 7-8, p. 256ff.; Mau, Bulletino del Instituto 1874 p. 90; Cumont, Revue des études greques XV 1902, p. 314; Angaben nach Corßen III 239, V 87). Vgl. Deißmann, christliche Welt 1903, 746f.
  3. Gegen den Einwand, es müßte dann ἀνθρώπου τινός resp. ἑνός dastehen (zuletzt noch Hltzm.) vgl. Corßen Z.n.W. III 239.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S370.png&oldid=- (Version vom 14.5.2018)