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sondern aus allgemeinen spekulativ phantastischen Erwägungen heraus, bei denen die Sechszahl eine Rolle spiele, wie wir sie noch bei Irenäus V 28,2 (in recapitulationem universae apostasiae eius, quae facta est in sex millibus annorum) oder V 29 (Beziehung auf Dan 3,1ff., vgl. Apk 13,15) finden. Daß dann mit dieser Mitteilung über die Zahl des Tieres nebenbei eine Aufforderung enthalten sei, diese Zahl durch gematrische Kunst in einer historischen Persönlichkeit wiederzufinden, will Vischer nicht leugnen. Vischers Deutung scheitert, wie Corßen IV 266 richtig hervorhebt, an dem Ausdruck ψηφίζειν. Was Vischer meint, hätte der Apok. etwa mit ἀποδεικνύναι, εὑρίσκειν, ἀποκαλύπτειν umschreiben müssen. Aber der terminus ψηφίζειν bedeutet die gematrische, künstliche Bearbeitung des betreffenden Namens. Dennoch hat Vischer etwas Richtiges gesehen. Dem Apok. hat in jenem Zahlenrätsel nicht nur an einer umschreibenden Verhüllung des zu errechnenden Namens gelegen, sondern gerade diese Zahl 666 war ihm wichtig[1]. Ich kann Vischers Anregung mit der von mir noch immer festgehaltenen Auffassung in der früheren Auflage verbinden, und dann ergäbe sich etwa folgende Erklärung: Der Apok. sagt seinen Lesern: Behandelt mit gematrischer Kunst den Namen des Tieres; ihr könnt es, denn ihr wißt, das Tier, wie ich es meine, ist zugleich identisch mit seinem Haupt, einem (euch nicht ganz unbekannten) Menschen. Dann ergibt sich, falls ihr richtig rechnet, die furchtbare und die geheimnisvolle Bosheit des Tieres (Menschen) andeutende Zahl 666.

Immerhin wird es nun die Hauptsache sein, die vom Apok. angedeutete Beziehung der Zahl 666 auf eine historische Persönlichkeit herauszufinden. Hier laufen doch alle Linien der sich gegenüberstehenden Auffassungen zusammen. Denn Vischer will ja eine solche Nebenbeziehung nicht leugnen, und es bleibt ziemlich gleichgültig, ob nach Corßens Auffassung die Zahl 666 nicht nur den Namen eines Menschen, sondern daneben auch noch den Namen des Tieres umschließen soll, da es dem Apok. selbst in erster Linie auf die historische Deutung (ἀριθμὸς ἀνθρώπου) ankommt. Bestimmt abzuweisen ist nur die letztlich noch von Clemen vertretene Deutung des ἀριθμὸς ἀνθρώπου aus 21,17.

Es wird sich nun vor allem fragen, nach welchem Alphabet die gematrische Rechnung zu vollziehen ist, oder bestimmter, ob dabei das hebräische Alphabet von vornherein auszuschließen sei, wie das neuerdings wieder von Clemen mit den bekannten Gründen II 111f. behauptet ist. Es ist nun aber schlechterdings nicht einzusehen, weshalb der Apok. sein Zahlenrätsel nicht nach dem hebräischen Alphabet gestellt haben sollte. Wenn er sonst — übrigens nicht ohne Nebenabsicht — den Ausdruck Ἀβαδδών mit Ἀπολλύων wiedergibt 9,11, anderswo ein Wort ausdrücklich als hebräisch bezeichnet 16,16, so ist damit kein Präjudiz für unsre Stelle gegeben. Er will eben ein Rätsel geben und legt offenbar außerdem gerade auf die Zahl der Bosheit 666 Wert, die er eben anders als mit den Mitteln hebräischen Alphabets nicht


  1. Vielleicht war ihm die Zahl 666 ein Gegenstück zu der Zahl für Ἰησοῦς 888; Sib. I 324ff.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S372.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)