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den V. 7b streicht, weil er allzudeutlich die Sprachfärbung des Redaktors zeigt, ebenso verrät V. 16 die eingreifende Hand des Apok., der die ganze Apk schrieb. Dann bliebe schließlich nur noch ein Torso zurück, den man allenfalls als Caligulaapokalypse bezeichnen könnte. 2) Die Zahl 616 ist zu schlecht bezeugt, um als die ursprünglich überlieferte angenommen werden zu können. Sie erklärt sich auch von der Deutung קסר נרון aus, als der Zahlenwert der latinisierten Form des Tiernamens (s. o.). Daß die Auflösung Γάϊος Καῖσαρ restlos gelingt, kann immerhin ein neckisches Spiel des Zufalls sein (s. o. die Deutung Vlt.s auf Trajanus Hadrianus). Mit alledem will ich die Vermutung von Sp., Erbes, daß Kap. 13 einmal eine Caligulaapok. zugrunde gelegen habe, nicht ganz abweisen. Es gehört aber diese Hypothese in den Bereich der Möglichkeiten, mit denen wir nicht weiter rechnen können. Das 13. Kap. erklärt sich als Ganzes besser aus der oben angegebenen Situation als aus der Caligulazeit. Kaum ein Zug desselben wird durch den Rückgang auf diese deutlicher als er vorher war.

3) Dagegen soll natürlich nicht geleugnet werden, daß auch im 13. Kap. manche ältere apokalyptische Traditionen verarbeitet sind. Schon die Figur des ersten Tieres ist eine sehr künstliche und komplizierte. Namentlich fällt die merkwürdige Identifikation des einen todwunden und wieder geheilten Hauptes mit dem Tiere selbst auf. Es ist von vornherein anzunehmen, daß diese Figur des Tieres mit den sieben Häuptern und zehn Hörnern und dem einen mit dem Schwerte getroffenen Haupte eine komplizierte Vorgeschichte hatte. Einige Linien dieser Vorgeschichte laufen bis Daniel zurück (die zehn Hörner, die Lästerreden des Tieres, sein Kampf mit dem Heer des Höchsten), aber nicht alle. Es fragt sich, ob die sieben Häupter, die ihre Parallele bereits in Apk 12,3 hatten, schlankweg aus Daniel erklärt werden dürfen, oder ob hier nicht eine ältere Tradition vorliege, von der bereits Daniel abhängig ist. Doch würden sich diese Fragen erst bei der Auslegung von Kap. 17, wo wir Genaueres über die sieben Häupter hören, erledigen lassen.

Sicher liegt dagegen eine ältere Tradition der Weissagung vom zweiten Tier zugrunde. Das sahen wir bereits an der Inkongruenz des Bildes mit der einzig möglichen zeitgeschichtlichen Ausdeutung. Wir finden hier ferner eine Reihe überschüssiger, zunächst unausdeutbarer Einzelzüge. Die Gestalt des zweiten Tieres blieb undeutbar. Die Wunder, die von ihm berichtet werden, weisen doch wohl auf eine mythische Figur, wenn der Apok. auch an die Gaukelwunder des Priestertums des Kaiserkultes gedacht haben mag. Die Versiegelung auf Stirn und rechter Hand fand seine überraschende Parallele in direkt jüdischer Tradition. In der Drohung, daß niemand kaufen und verkaufen könne, wer nicht Zeichen und Zahl des Tieres auf Stirn und Hand trage, fanden wir eine rationale Ausdeutung einer unverstandenen älteren Überlieferung. — Was nun für eine Gestalt hier dem Apok. ursprünglich in der Tradition gegeben war, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen. Er selbst führt uns auf die rechte Spur, wenn er dieses zweite Tier späterhin mehrfach den Pseudopropheten nennt. Die spätere Apokalyptik des Judentums hat (vgl. Bousset, Rel. d. Judentums 242f.) eine doppelte Ausprägung

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S377.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)