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16,16. καὶ συνήγαγεν αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον τὸν καλούμενον Ἑβραιστὶ Ἁρμαγεδών[1]. Das συνήγαγεν bezieht sich über V. 15 auf die Parenthese V. 14 zurück, nimmt also das συναγαγεῖν dort wieder auf. Da δαιμόνια Subjekt ist, sollte man συνήγαγον erwarten, wie ℵ tatsächlich lesen. Die früher fast allgemein angenommene Beziehung auf Megiddo II Kön 23,29f.; II Chron 35,22 scheitert daran, daß hier dann von einem „Berg“ von Megiddo die Rede wäre. Denn es gibt kein Gebirge von Megiddo, dieses liegt vielmehr in der Ebene (II Chron 35,22; Ri 5,19). Daher versuchen Hltzm., Hilgf. 440, Vlt. II 158 die Konjektur עִיר מְגִדּוֹ[2]). Ferner kann man fragen, weshalb der Apok. hier einen Berg als Ort der großen Schlacht annimmt, Schlachten pflegen doch auf Bergen nicht geschlagen zu werden. Der Verweis auf Ez 38,18-20; 39,2.4.17 (Sp., Hltzm., Erb.) hilft nicht, weil hier dasselbe Problem vorliegt. Diese Schwierigkeiten bewogen vielleicht schon einen Abschreiber, das Ἁρ aus dem Worte zu entfernen (s. u.). Mit Recht vermutet Gunkel, Schöpfung und Chaos (263-66), hier eine ältere nicht mehr verstandene Tradition. Schon der geheimnisvolle von dem Apok. hebräisch mitgeteilte und nicht übersetzte, also von ihm selbst kaum mehr verstandene, Name deutet darauf hin. Sagen von einem Kampf der Götter auf dem Berg oder um den Berg sind uralt. So versammeln sich die abgefallenen Engel Hen 6,6 auf dem Berg Hermon (vgl. Flügel, Mani 87; Brandt, Mand. Schriften 89; Gunkel 388 A. 2); vielleicht ist hier auch die Schilderung des Untergangs des Antiochus Dan 11,45 „zwischen dem Meer und dem Berg der heiligen Zierde“ heranzuziehen. Jensen, Rhein. Museum XLIX (1894) S. 49, vergleicht den Namen des babylonischen Unterweltsgottes Υεσεμιγαδων, des Gemahls der bekannten Todesgöttin Ereschigal, der uns nur in ägyptischen Zaubertexten neben dem Namen Ἐρέσχιγαλ aufbewahrt ist, und findet in μαγεδων einen Anklang an μιγαδων. Vgl. Cheyne, Encyclopädia biblica s. v. Armageddon; Legge, Proceedings of the Soc. of Biblic. Archaeol. 1900 XXII, p. 121f.

Nicht blos der Name Harmagedon, sondern auch so manche andre schon erwähnten Züge deuten also darauf hin, daß der Apok. in V. 13-16 eine von ihm nicht oder nur halb verstandene mythologische Phantasie weitergegeben und verarbeitet hat. Unter furchtbaren Führern haben — so erzählte der Mythus — einst Dämonenheere den heiligen Götterberg zu erstürmen versucht. Von dämonischen Boten waren sie zusammengerufen, Flüsse trockneten vor ihnen aus. Aber — so fuhr der Mythus, dessen Ende hier abgebrochen ist, wahrscheinlich fort — sie wurden von den lichtstrahlenden Göttern (Apk 19,11ff.) geschlagen und vernichtet. Der Apok. hat diesem Mythus dann durch die Beziehung des Dämonenschwarms auf die Macht der Parther eine zeitgeschichtliche Wendung gegeben.

16,17-21. Der siebente Engel. 16,17. καὶ ὁ ἕβδομος ἐξέχεεν τὴν


  1. Q Rel. (exc. An.) fu. s¹ Tic.: μαγεδων.
  2. X retrovertiert הר מגדו, seinen kostbaren Berg. Vlt. IV 102 denkt an אֶרֶץ, aramäisch אֲרַע.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S399.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)