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Herrscher haben werde, gebunden war, die Weissagung anders gestalten können, als dies in V. 11 geschehen ist? Identifizierte er Nero mit dem siebenten Haupt, so bekam Rom nur sechs Könige. Also mußte er den wiederkehrenden Nero als den achten fassen, der doch zu den sieben gehört. Der Ausdruck ergibt sich fast mit Notwendigkeit. Und wenn er nun das gegebene Bild, das Tier mit den sieben Häuptern, auf diese Weissagung adaptieren wollte, wie sollte er am Bilde veranschaulichen, daß mit dem wiederkehrenden Nero acht Könige und doch nur sieben vorhanden seien? Lag nicht auch hier der Gedanke nahe zu sagen: das achte Haupt ist das Tier selbst: in diesem achten Haupt wird sich die ganze Macht und Furchtbarkeit des Tieres noch einmal konzentrieren. — Und der Sachverhalt wird noch klarer, wenn wir annehmen dürfen (s. o.), daß dem Apok. eine Tradition vorlag, derzufolge das Regiment des siebenten Hauptes ein kurzes und schwaches sein werde. Dann konnte er das siebente Haupt gar nicht mit der furchtbaren Gestalt des wiederkehrenden Nero identifizieren. — Wir kommen also zu dem Schluß, daß wir V. 10-11 der Quelle zuzuweisen haben. — Es bleiben noch einige Kleinigkeiten zur weiteren Erwägung. Da wir in Kap. 17 doch sicher mit einer Überarbeitung zu rechnen haben, so werden wir diesem Bearbeiter auch das seltsam nachklappende καὶ ἐκ τοῦ αἵματος τῶν μαρτύρων Ἰησοῦ V. 6 zuweisen. Ob wir die doppelte Deutung der sieben Berge auf die beiden Hände verteilen müssen, ist mir nicht sicher. Aber möglich ist es, daß dem Bearbeiter der Satz ἑπτὰ ὄρη εἰσίν, ὅπου ἡ γυνὴ κάθηται ἐπ’ αὐτῶν καί zuzusprechen ist. Ferner halte ich es für möglich, daß der Bearbeiter, der V. 8 schrieb in V. 11 ὃ ἦν καὶ οὐκ ἔστιν hinzugefügt hat. Auf der andern Seite möchte ich V. 15 und V. 18 der Quelle zuweisen. So treten in Kap. 17 Quelle und Bearbeitung ziemlich reinlich aus einander: Quelle: V. 1-7. 9-11. 15-18; Bearbeiter: V. 8. 12-14 und einzelne Worte in V. 6. 9. 11.

Von hier aus ergibt sich die Situation für die Quelle und den Bearbeiter mit hinreichender Deutlichkeit. Der Verfasser der Quelle schrieb unter dem sechsten römischen Kaiser. Das ist je nachdem man von Cäsar oder von Augustus an zählt, die Könige des Interregnum mitrechnet oder nicht mitrechnet, entweder Nero, oder Galba, oder Vespasian. Da zu Neros Lebzeiten die Weissagung vom wiederkehrenden Nero nicht entstanden sein kann, da Galbas Regiment kaum je so fest bestanden hat, daß der Apok. sagen konnte ὁ εἷς ἔστιν, so ist die Quelle in Kap. 17 zu Vespasians Zeit geschrieben. Nach Vespasian erwartete der Verfasser dieses Stückes noch das kurze siebente Regiment und dann die Wiederkunft Neros mit den Parthern zur Zerstörung Roms. Die Quelle kann, wenn wir dem Bearbeiter das ἐκ τοῦ αἵματος τῶν μαρτύρων Ἰησοῦ zuweisen, jüdisch sein. Wenn der Verfasser Rom trunken vom Blute der Heiligen sieht, so wäre das auf die Zerstörung Jerusalems und die Vernichtung des jüdischen Staates zu beziehen; und der Apok. würde dann seine ganze Hoffnung auf die Bestrafung des gottlosen Rom durch Nero und die Parther richten.

Diese Weissagung hat dann unser Apok. letzter Hand übernommen und

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S415.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)