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Aber freilich ist diese Idee vom himmlischen Jerusalem vom Apok. nicht rein durchgeführt. In den Versen 21,24-27; 22,2 ist der Standpunkt des Jenseits vollkommen verlassen. Da wohnen noch Völker auf der Erde, die nach Jerusalem wallfahrten. Da gibt es noch Unreines und Gemeines, das von seinen Toren ausgeschlossen bleibt. Da müssen die Blätter des Lebensbaumes noch zur Heilung der Heiden dienen. Der Widerspruch in den Vorstellungen ist so hart, daß der Verweis auf die alttestamentlichen Parallelen und die Annahme der Abhängigkeit des Apok. von diesen kaum zur Erklärung ausreicht. Er wird sich am besten durch die Annahme erklären lassen, daß der Apok. in diesem Abschnitt eine schriftlich fixierte Quelle herübergenommen und überarbeitet hat. Dafür sprechen auch noch manche andere Beobachtungen. Vor allem die unorganische Verbindung zwischen diesem Stück und der übrigen Masse der Apk. Es steht hier an einem Ort, wo man eigentlich nach 21,1-8 kaum noch etwas erwarten sollte. Hätte der Apok. hier kein Quellenstück vor sich gehabt, aus eignem Antrieb hätte er schwerlich diese lange Ausführung noch hinzugefügt. Daß er zweimal, 19,7 und 21,2, zum Voraus auf diese Stücke hinweist, scheint ebenfalls darauf hinzudeuten, daß hier ein quellenmäßiger Zusammenhang vorliegt.

Dafür sprechen auch die merkwürdigen Doubletten 21,23 und 22,5b, 21,25 und 22,5a, 21,27 und 22,3. Demgemäß haben die meisten Kritiker in diesem Stücke eine jüdische Quelle mit dünner christlicher Bearbeitung gefunden (Vischer, Weyl., Sp., Pfleid., Sab., Schmidt, J. Weiß).

Was nun bei dieser Voraussetzung in dem Stück dem Apok. letzter Hand zuzuschreiben ist, kann im einzelnen kaum mehr bestimmt werden. Hier variieren die Kritiker mannigfaltig. In der Einleitung V. 9-10 spürt man (zum Teil) seine Hand. Das gerade hier immer wiederkehrende ἀρνίον 21,9.(14.)22.23.27; 22,1.3 deutet überall auf Bearbeitung von seiner Seite. Sicher stammt von ihm in V. 14 der Hinweis auf die Apostel des Lammes; vielleicht sogar der ganze Vers mit seiner im Zusammenhang unklaren Vorstellung von den Grundsteinen der Mauern. Die Behauptung, daß im himmlischen Jerusalem kein Tempel sei, wird er ebenfalls erst eingebracht haben

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S454.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)