Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 034.jpg

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Aber wie gantze Länder und Königreiche / gleich allen andern sublunaribus, den Veränderungen vnterworffen / und ihre periodos fatales haben / darin sie nach Gottes Rath und Willen in ihrem centro verbleiben / oder zu- und abnehmen: Also seyn viel Stück von der Grafschafft ab- an andere Herrschafften / insonderheit ein gut Theil derselben bald titulo oneroso, bald per sacrum istud aucupium, durch die Wahl der Bischöffe auß dem Hochfürstl. Hause Braunschweig Lüneburg / und auß dem Gräfl. Stamm Blanckenburg Reinstein / ans Stifft Halberstatt kommen; daß also weniger nicht in moralibus, als in physicis ex corruptione unius, alterius generatio entstehe / und Boëtius so zierlich als wahr saget:

Repetunt proprios
Quaeque recursus,
Redituque suo
Singula gaudent,
Nec manet ulli
Traditus ordo.


Grundlager und jetzige Gräntze der Grafschafft.

Darumb wollen wir die alte Gelegenheit fahren lassen / und den jetzigen Begriff betrachten. So reinet und grentzet nun anjetzo die Grafschafft Blanckenburg und Reinstein / gegen Osten oder Auffgang der Sonnen / mit dem Stifft Quedlinburg- und Fürstenthumb Anhalt; gegen Süden oder Mittag / mit den Grafschafften Stolberg / Schwartzburg und Hohnstein; gegen Westen oder Niedergang der Sonnen / mit dem Fürstenthumb Grubenhagen / und Grafschafft Wernigerod; gegen Norden oder Mitternacht / mit dem Fürstenthumb / weyland Stifft Halberstatt.


Natur / Art und Eigenschafft deß Landes.

Diese Grafschafft stehet zwar dem Nordwind offen / so streichet auch von dem / biß an S. Johannis Tag / mittenim Sommer mit Schnee bedeckten eißgrauem Scheitel deß benachbarten Brockenbergs / manche saure und harte Lufft herein / sie hat aber darum nicht / wie Cornelius Tacitus, dieser Landart Schuld gibt / einen so gar traurigen Himmel / und Senecae Meynung nach / einen ewigen Winter / sondern eine wiewol etwas kalte / doch ziemlich temperirte / reine und gesunde Lufft / die harte und frische Leiber zeucht / so / daß noch heutiges Tages Leute / welche 80. 90. 100. 110. und mehr Jahr erreichet / darinnen gefunden werden. Sie hat auff der einen Seite gegen Mitternacht ein räumiges und eben Land / auff der andern Seite gegen Mittag aber den Hartzwald / und lauter Berg und Thal / welches der gantzen Grafschafft ein recht schönes / anmuthiges und lustiges Ansehen gibt. Und wiewol der Acker an einem und anderm Ort / in einer steinigten und ungeschlachten Pflege liget / so hat es doch daselbst / und in der Nähe / an den meisten Oertern / bevorab in den Aemptern Westerburg / Mulmecke / Derneburg / Memdorff / Heimburg / und Westerhausen / einen außträglichen / fruchtbaren Boden / und erwünschten Kornbau.

Anderer Nutzbarkeiten anjetzo nicht zugedencken / so hat die Grafschafft Blanckenburg einen guten Theil deß Hartzes / und einen so grossen Forst / daß sie an Holtzung und Wildbahn keiner Grafschafft nachgibt / und manchem Fürstenthumb gleichet / die Berge sind voller Wild / die Thäler voller Viehe / die viscera terrae so reich von Eisen-Ertz / daß sechs Zerrenherd / und zwo Hoheoffen / mit tüchtigem Eisenstein perpetuirlich befordert werden können. So ereuget sich auch gute Hoffnung zu Silber-Ertz / und andern Metallen / zumahl unter und über dieser Grafschafft / in dem Fürstenthum Grubenhagen / und zu Zellerfeld / wie auch in der Grafschafft Stolberg / Silberberg Wercke in vollen Schwange begriffen / und daher vermuthlich / daß Gott und die Natur diesen Hartzort in der Mitten / in penetralibus terrae nicht weniger gesegnet / und eben dasselbe gewircket habe / auch verlauten will / daß heimliche Gucksgräber Silberertz auß dieser Grafschaft

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_034.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)