Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 190.jpg

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Hoya.

Ist das alte Gräfliche Schloß / das von die Grafen von der Hoya ihren Nahmen geführet / an dem Weserstrom / vier Meilen oberhalb Bremen gelegen / sampt einem feinen grossen Flecken dabey. Zu welcher Zeit / vnd von wem das Hauß erstlich gebawet seyn mag / davon kan man keine eigentliche Nachricht haben. Hieroben in Beschreibung dieser Graffschafft ist angeführet / was in deß Hamelmanni Oldenburgischer Chronick davon zu finden. Bunting in seiner Braunschweigischen Chronick meldet davon dieses: Im Jahr 1295. soll nach Anzeige der geschriebenen Mindischen Chronicken / das Gräfliche Schloß Hoya gebawet seyn. Wie alte Leute berichten / soll das Schloß anfänglich auff der andern oder lincken seiten der Weser gestanden seyn / an dem Orte / welcher noch anjetzo die alte Hoya genant / vnd zur Weide gebrauchet wird / massen die rudera davon annoch daselbst zu sehen. Hernachmals ist es auff einen Anwurff deß Weserstroms / da sich derselbe theilet / in eine Ecke gesetzet / vnd hinten nach der Ecke zu ins runde gebawet. Vorwerts aber hat es zwey Ecken / vnd einen Thurn in der mitte / zwischen den andern Gebäwen / das Oestereich genant / darunter das Thor vnd Eingang deß Schlosses gemachet worden.

Es hat dieses Schloß in seinem Begriff dicke starcke Mauren / die es befestigen / vnd die Weser nechst bey her fliessend / die alte Weser genant / welche ihren Außfluß kurtz oberhalb deß Schlosses nimbt / dasselbe in der mitte beschleusst / vnd etwan zween Musquetenschüsse vnterhalb deß theils Fleckens disseits der Weser gelegen / sich wiederumb in den rechten Strom ergeusset.

Das Flecken selbst ist in die länge / an beyden seiten deß Weserstroms erbawet / hat sein beschrieben Bürgerrecht / vnd privilegia, auch zu Friedenszeiten an die 300. Bürgerhäuser gehabt / deren aber bey wehrendem Kriegeswesen viele eingeäschert vnd zu grunde gerichtet. Es haben auch hiebevor viele Adeliche Geschlechter ihre Sitze darin gehabt / deren theils / als die Spaden / Wempen / Wechelt / KreuzFriesen / Stendern / Bügen / Hermlinge / Flencken vnd Fulden / entweder gäntzlich abgangen / oder sich anderswo hin begeben / Anjetzo haben ihre Sitze noch darin die Behren / Staffhorsten / Weihen und andere.

Der Bodem vmb diesen Ort ist gut vnd fruchtbar / dannenhero die Einwohner sich deß Ackerbawes vnd Viehezucht sonderlich befleissigen / vnd ihre Nahrung davon haben. An dem Weserstrom hat es gut Marschland / welches / wann keine Wasserschaden einfallen / gut Korn vnd herrliche Weide gibt / die hohen Felder an der Heide / wann sie fleissig bearbeitet werden / können dem Ackerman die Mühe auch wol bezahlen.

Sonsten ist dieser Ort insonderheit wol gelegen / wegen deß durchfliessenden Schiff- und fischreichen Stroms der Weser / worauß man nicht allein die Notturfft von guten Fischen daselbst haben / sondern auch das gewachsene Getreide bequemlich darauff fortgeschiffet / vnd andere nötige Wahren wieder heran geschaffet werden können. Vor diesem ist eine Brücke daselbst über den Strom gewesen / welche dann verursachet / daß viele zu Lande reisende Kauff- und andere Leute mit ihren Wahren vnd Wägen den Weg darauff zugenommen / vnd so wol den Fürstlichen Zöllen / als den Einwohnern / nicht geringen Nutzen gebracht. Wird auch solche Brücke in kurtzem wieder zum Stande gebracht werden.

Bey gewesenen vnsehligen Kriegsläufften ist dieser Ort auch nicht frey außgangen / sondern hat das seinige wol mit empfunden. Nur deß vornehmsten kürtzlich zu gedencken / ist zu erst den 22. August. Anno 1622. das Schloß von einem Königl. Dennemärckischen Majeur mit List überrumpelt /

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_190.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)