Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 201.jpg

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KönigsLutter.

Das Stifft Königs-Lutter ist anfänglich gewesen ein Jungfräulich Closter / deß Ordens S. Augustini. Der Fundator vnd Stiffter wird gerühmet Graff Bernhard zu Haldenschleben / welcher zwar den Anfang gemachet / aber es nicht außführen können / weil er zu zeitig gestorben / vnd derowegen solches seinem Sohn / Graff Bernhard dem Jüngern / zu thun anbefohlen.

In welchem Jahre diese Stifftung geschehen / ist vnbewust: mag wol fleissig auffgemercket seyn / aber in den beschwerlichen Kriegesläufften / vnd erfolgter vieler Closter Außplünderung / sind solche Verzeichnuß entweder gar vernichtet / oder sonst in frembde Hände gerahten.

Von diesem alten Closter ist noch die Kirche verhanden / welche wol zu besehen / wegen der Altfränkischen Art vnd Manier / dann vor etzlichen hundert Jahren die Stifft vnd Closter Kirchen bey weitem der grösse vnd Zier nicht gewesen / als sie hernacher / da sich die Geistliche Güter gebessert vnd vermehret / geworden sind.

Den Nahmen Lutter hat das Closter bekommen von einem Bach / die Lutter genant / welcher auff dem Elm entspringet / vnd gerade auffs Closter zu / vnd durch das Stättlein / auch Lutter genant / rinnet.

Nach der Fundatorn Absterben ist das Closter Lutter an Hertzog Ludern zu Sachsen (der hernach Römischer Keyser erwehlet / vnd nach Lateinischer Art von den Scribenten Lotharius genennet worden) erblich gefallen / weil Er der abstorbenen Grafen nahister Blutfreund gewesen / darumb Er auch in Diplomate Fundationis deß newen Closters zu Lutter meldet / daß seine Vorvätter diß Jungfräwliche Closter gestifftet hätten.

Es haben aber diese vermeynte Closter-Personen zu Lutter / gantz zeitlich vnd gar zu frühe angefangen sich leichtfertig zu bezeigen / vnd durch ihr ärgerliches Leben der Leute Haß auff sich zu laden / insonderheit deß löblichen Landesfürsten vnd höhester Obrigkeit.

Alldieweil nun Keyser Lotharius bey währender Keyserlicher Regierung / in den schweren Läufften / vnd vnter den wanckelmüthigen vnd vnbeständigen Wahlen / vnd sonsten im Reich Teutscher Nation / Gottes deß Allmächtigen Beystand für vnd für empfunden / vnterschiedliche herrliche Victorien erhalten / vnd im lieben Vatterland viel gutes gestifftet / vnd sich dabey offtermals seiner schuldigen Danckbarkeit gegen die Göttliche Mayestät / in aller Demuht vnd Christlichem Eyver erinnert / Als hat Er ihm vorgenommen / ein ansehenlich Stifft vnd Gotteshauß / in welchem von andächtigen Ordens-Personen die gewöhnliche vnd übliche Gottesdienste zu Tag vnd Nacht verrichtet / für die gantze Christliche Kirche / das Weltliche Regiment / vnd den Haußstand gebeten / auch die zarte Jugend in wahrer Gottesfurcht vnd guten Künsten / mit gebührendem Fleiß vnterwiesen würde / anzurichten vnd zu fundiren / imgleichen mit ligenden Gründen / vnd jährlichen Intraden nottürfftiglich zu versehen / vnd solches nach löblichem Exempel seines in GOtt ruhenden Schwehers / Hertzogen Heinrichs deß Feisten / Grafen zu Northeimb / welcher das herrliche Closter Bursfeld / vnd dessen Gemahlin / Fraw Getruden / so das Closter S. Aegidii in Braunschweig / beede Benedictiner Ordens / auff ihrem Grund vnd Bodem erbawet / vnd reichlich begabet.

Bey diesen Christlichen Gedancken kam dem Keyser vor das vngerahtene Closter Lutter / welches einen bösen Nahmen bekommen / vnd sich zu keiner Besserung schicken wolte. Solchem ärgerlichen Vnwesen / vnd vngezweifelten Seelenschaden nachzusehen / ließ Er sich bedüncken gantz vnverantwortlich zu seyn. Nahm derowegen Raht mit Bischoff Rudolffen zu Halberstatt / vnter dessen Sprengel vnd Geistlicher

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_201.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)