Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 013.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
     Rosablankens Traum


In des ernsten Tales Büschen
Ist die Nachtigall entschlafen,
Mondenschein muß auch verblühen,
Wehet schon der Frühe Atem.

5
Jetzt auch hält auf stummen Hügeln

Einsam freudig seine Wache
Phosphorus, der Held der Frühe,
Strahlend, ernsthaft, sinnend, harrend.

Und es geht mit leisen Füßen,

10
Daß der Vater nicht erwache,

Rosablanka aus der Hütte,
Um die Sonne zu erwarten.

Nieder sitzt sie an der Türe
Und blickt betend in den Garten,

15
Ehe noch mit grauem Flügel

An dem Dach die Schwalbe raschelt.

Auf den Schattenkelchen glühen
Milden Taues Diamanten;
Sind es Tränen, sind es Küsse,

20
Ists der Glanz prophetscher Flammen?


„Morgenstern, o sei gegrüßet,

Du, Maria, voll der Gnaden,
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)