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Liebesengel, Todesengel,
Bete für mich, wenn ich sinke!“

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Und nun springt er an die Erde,

Seinen Rücken deckt die Linde,
Zierlich grüßt er mit dem Degen
Jeden in dem weiten Ringe.

Doch zuerst tritt ins Gefechte

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Den er niederwarf im Grimme,

Und in tiefen Ängsten schwebend
Stehn die Jungfrauen und singen:

„Gott und Vater, soll er sterben,
Lasse seinen Zorn sich stillen,

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Daß er möge Heil erwerben

Um Herrn Jesu Leiden willen!

Gott und Sohn! Schirm den Gerechten,
Decke ihn mit deinem Schilde,
Lasse ihn mit Ehren fechten

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Hier vor deiner Mutter Bilde!


Heilger Geist, das Herz erhelle
Ihm, dem frommen Schwertumklirrten,
Daß der böse Feind nicht stelle
Schlingen dem im Streit Verwirrten!

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Und Maria, Mutter, helfe,

Daß er seinen Judas finde,[1]
Denn hier stehen wieder zwölfe,
Wie bei deinem heilgen Kinde!“ –

„Gleiche Rechte, gleiche Rechte!“

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Ruft der Gegner, „Brüder singet!

Hat er sich Musik bestellet,
Laßt mir auch ein Lied erklingen!“

Anmerkungen des Herausgebers

  1. [400] Der Dichter will sagen: Helfe verhüten, daß er seinen Judas finde. Handschriften und Urschrift haben ganz deutlich „seinen“.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_055.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)