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Als ein Lebehoch entgegen
Ihm von allen Lippen dringet.

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Aber vor ihm fliegt ein Degen,

Senkrecht in die Erde dringend,
Den Meliore seinem Gegner
Kräftig aus der Faust legierte.

Und Apone fragt verlegen:

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„Wer hat diesen Gruß geschicket?“

Und Meliore spricht: „Vergebet,
Es ist meines Gegners Klinge.

Nicht um Ehre, noch um Leben
Fecht ich hier, bloß um die Klinge:

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Diese euch zu Füßen legend,

Wählt mein Glück euch selbst zum Richter.

Und ich reich euch meinen Degen,
Weil ich kann mit beßrer Sitte
Weder rechten hier, noch fechten!“

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Spricht Apone – „Werdet stille!


Denn es ist ein schwerer Frevel,
Jetzt Tumulte anzuspinnen,
Da der ganze Staat sich trennet
In zwei feindliche Partien.

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Wer jetzt offnen Lärm erreget,

Gleicht der Krähe, welche pickend
Auf dem hohen Alpenschnee
Anstoß gibt zu den Lawinen,

Die sich wälzend mächtig schwellen

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Und verderbend niederdringen,

Mit des kalten Eises Decke
Städt und Dörfer überrinnend.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_057.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)