Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 061.jpg

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Während Krampf die Füße hebet
Und zu wilden Sprüngen zwinget.

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Und Pandrosa zuchtvergessen

Hat sich das Gewand zerrissen;
Antlitz, Busen, Schoß und Lende
Sind ein Spiegel der Erynnen.

Hinter ihnen steht Athene,

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Ernst in Marmor gottgebildet;

Bösen Fluges Vögel schweben
Um der fernen Tempel Zinnen.

Still und mannigfach erreget
Hatten wir dies Bild umringet,

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Bis, sich ja nicht zu vergessen,

Einer alle schnell erinnert:

„Jedes Kunstwerk, das vollendet“,
Sprach er und zog hoch die Stirne,
„Muß, um klar sich auszusprechen,

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Stehen auf ewigen Begriffen.


Doch, wie ich mich auch mag setzen,
Vor und in und nach dem Bilde,
Seh ich tot nur vor mir stehen
Dieses Werk des alten Pinsels. –

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Ei, der zweite ihm entgegnet,

Mit der Schlange bei dem Kinde
Ist wohl auf das Leid des Herren
Und den Sündenfall gestichelt. –

Mit den törichten drei Schwestern

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Meinet er, sprach dann der dritte,

Juden, Christen, Sarazenen
Streitend um die wahre Kirche. –

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_061.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)