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Und es weinen die Geliebten,

Denen man die Treue brach.

Unter gingst du, Lustgezierte,
Der die Ehe mich verband,
Der aus schändlicher Begierde

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Pflicht und Treue ich entwand.


Blutschuld ist die Rosenzierde
In der Sonne Untergang:
Fluch der teuflischen Begierde,
Die mit Sünde dich verschlang.

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Alle Tränen, die du gießest,

Sinkend auf der ewgen Bahn,
Bis du deine Augen schließest,
Wachsen mir zur Sündflut an.

Und auf ihrer Woge ziehet

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Dort des Mondes bleicher Kahn,

Aber keine Taube fliehet
Mit dem Ölblatt mir heran.

Mond, wie blinkst du bleich und siechend
An des Abends Rosengrab,

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Wo die Sonne still versiegend

In den Schatten sinkt hinab.

Rosalata, du sankst nieder
Mit dem roten Rosenkranz,
Rosatristis, du kehrst wieder

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Mit der weißen Rose Glanz.


Mond, ich sah dich mahnend ziehen
Wie ein Geist die Wolkenbahn,
Und ich muß hier weinend knieen,
Klagen mich der Sünde an.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_090.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)