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Ist Biondetten mir errungen,
Dann sei Freiheit dir bedungen!“ –

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„Apo, zähme deine Zunge,“

Spricht der Geist, „du mußt verstummen!
Auf die Spule sieh, und tue,
Was dir mein Gewebe zeigt!“

Apo blicket scharf und schweigt.

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Vor ihm fliegt auf dunklem Grunde

Flammend hin und her die Spule,
Seine Sinne gehen unter.

Dunkler bald, bald wieder bunter
Woget er in Traumes Wunder,

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Bild und Weber ist verschwunden,

Und er glaubet sich allein.

Sieh! Da springt mit blutgem Schein
Feuerschrift aus dunklem Grunde,
Und die Lettern laufen munter

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Wie die Funken an dem Zunder.


Und Apone liest verwundert:
„Fest ist dieser Jungfrau Tugend!
An die Sünde angebunden
Sie wird uns verderblich sein.

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Du bist blutig, sie ist rein!

Nur in Blutschuld geht sie unter,
Wenn ein Mann aus ihrem Blute,
Den sie liebt, im Arm ihr ruhte!“

Also las er, und ins Dunkel

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Ist die Schrift dann eingesunken.

Schnell greift Apo nun zum Kruge,
Voll von giftgem Zauberwein.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_318.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)